Wie ich mit einer australischen Bibelgruppe loszog, um Basel als Tourist kennenzulernen

Eine lustige Idee führt unseren Reporter mit 40 Australiern durch Basel – und zu einem neuen Gefühl in der eigenen Stadt.

Der TagesWoche-Reporter umringt von einem Teil der australischen Touristengruppe.

(Bild: Dirk Wetzel)

Eine lustige Idee führt unseren Reporter mit 40 Australiern durch Basel – und zu einem neuen Gefühl in der eigenen Stadt.

Geplant war eine Reportage aus ungewohntem Blickwinkel: ein Bericht über eine Touristengruppe, die durch Basel zieht, von einem Reporter, der sie begleitet. Womöglich garniert mit einigen gut platzierten Witzchen. Doch es sollte anders kommen als gedacht – und endete in einem Selbsterfahrungstrip.

Doch von vorne: Ich will Basel so sehen, wie ich es bisher nie gesehen habe, durch die Augen von Fremden meine Stadt neu entdecken. Was interessiert Touristen in der Stadt, die wir jahrein, jahraus im Alltag erleben? Mit welchen Erwartungen kommen die Leute nach Basel? Was wissen sie über die Stadt – und was nehmen sie aus Basel mit?

Japaner oder Australier?

Also rufe ich bei Basel Tourismus an. Ob ich einen Stadtrundgang mit Touristen begleiten könne, frage ich. Ja, das sollte klappen, sagt mir die Mitarbeiterin. Sie kläre die Sache ab und rufe zurück. Meine Vorfreude steigt.

Am nächsten Tag kommt der Rückruf: «Wir hätten da eine Gruppe mit 20 Japanern und einen Tag vorher 40 Australier.»

Yeah, 40 Australier, denke ich.

Ich bestätige den Termin mit den Australiern und mache in Gedanken ein Fosters-Bier auf.

Nun brauche ich nur noch die passenden Utensilien: Selfie-Stick, Sonnenbrille, Bierhelm.

Wobei: Der Bierhelm, so scheint mir, ist etwas «over the top». Womöglich würden die Surfer Dudes den übereifrigen Anbiederungswahn nicht goutieren. Besser ist es, sie können mich an die Gepflogenheiten ihres Landes selbst heranführen.

Mit Selfie-Stick und Sonnenbrille ziehe ich los, um das Touristen-Basel kennenzulernen.




Test, Test: Der Selfie-Stick funktioniert. (Bild: Jeremias Schulthess)

Auf dem Marktplatz schaue ich mich nach meiner Gruppe um. Hier einige bierernste Bauarbeiter, dort eine Gruppe heiterer Japaner. Von den Aussies keine Spur.

Dann steht sie da, meine Gruppe: etwa 40 Rentner mit Rucksäckchen, Fotokameras und erwartungsvollem Touristenblick.

Potenzieller Touristen-Abzocker

Ich gehe auf einen der Touristen zu und spreche ihn an. Dieser schielt auf meinen Selfie-Stick und würgt meine Begrüssungsworte mit einem «no, thanks» ab, wie es Auswärtige in einer fremden Stadt tun, um aufdringliche Geschäftemacher abzuwimmeln.

Die 60-Jährige, die ich als Nächste anspreche, ist freundlicher. Ah, ich sei wohl der Reporter, den der Veranstalter angekündigt habe. Sie heisse Marge und leite die Gruppe. «Wir sind auf einer Reformations-Tour durch Europa», erklärt Marge. Von Berlin über Göttingen, Wittenberg, Basel, Zürich bis Genf – ohne Bierhelme, Selfie-Sticks und Surfer-T-Shirts. Dafür mit Lesebrillen, Notizbüchern und ein paar Dutzend heiligen Büchern.




«Basel-Stadt is the smallest canton», erklärt die Stadtführerin Madeleine Wamister. (Bild: Dirk Wetzel)

Die Gruppe nimmt mich freudig auf. Schnell bin ich umringt von zehn interessierten Bibelschülern, die von Kirchen und historischen Gemälden schwärmen. «You have such old buildings in Europe!»

Über Basel wissen sie nichts, ausser, dass Erasmus hier begraben liegt. Das haben sie in der Vorbereitung auf ihre Tour gelernt. Denn die Mitglieder der Reisegruppe absolvieren in Sydney ein Bible College und sind angehende Pfarrerinnen und Pfarrer.

Eine Dame über 70 erklärt mir: «We’re all followers of Jesus.» Eine andere sagt: «On our tour, we want to learn about the roots of our beliefs.» Und so schreiben sie fleissig mit, wenn die Touristenführerin über die Kirchengeschichte der Stadt erzählt.




Die Damen notieren. Über die Reformations-Tour müssen sie in Sydney einen Test schreiben. (Bild: Dirk Wetzel)

Auch statistische Gustostückchen wie jenes, dass Basel 201 Brunnen hat und alle bis auf einen (Tinguely-Brunnen) Trinkwasser führen, entlocken den Australiern ein «oh» oder «wonderful».

Madeleine Wamister, die Stadtführerin aus Basel, fragt die Teilnehmer, ob sie das Haus sehen wollen, in dem Erasmus im 16. Jahrhundert lebte. Ein euphorisches Raunen geht durch die Gruppe. Die Gruppe mit einem Altersschnitt von etwa 60 stürmt die Stufen des Imbergässleins hoch. Ehrfürchtige Blicke streifen das Haus am Nadelberg, wo ihr Idol einmal wohnte.




«Alles Trinkwasser»: Der Jüngste aus der Gruppe macht den Test. (Bild: Dirk Wetzel)

Manche Details über Erasmus kennt Marge besser als die Stadtführerin. Sie hält sich jedoch zurück und lässt die Führerin ohne Unterbruch erzählen.

Am Ende der Tour wartet das Münster. Wamister erklärt, wie die Kirche reformiert wurde und wie die Geistlichen die Zeremonien durchführten. Das Hinunterklappen der Holzstühle, wo die Geistlichen sassen, habe einen Riesenlärm verursacht. Von da komme der Ausdruck «Halt die Klappe!». Die Australier verstehen das zwar nicht, lachen aber trotzdem mit.




Auf den Spuren von Erasmus: Die australischen Touristen zeigen grosses Interesse an den Erasmus-Zitaten auf öffentlichem Grund. (Bild: Dirk Wetzel)

Dann zeigt die Führerin das Grabmal von Erasmus. Die Bibelgruppe ist tief beeindruckt. Ich auch. Ein bisschen.

Meine australischen Freunde haben etwas in mir ausgelöst. Es ist nicht der Weg zu Jesus, aber es ist ein neues Interesse an der Geschichte der eigenen Stadt.

Das nächste Mal, wenn mir eine Touristengruppe den Weg versperrt, denke ich: Schön, dass wir in einer Stadt leben, in der Gebäude eine Geschichte erzählen. Und schön, dass sich Leute für diese Geschichte interessieren.

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Mit der Juli-Serie «Besuch in Basel» macht die TagesWoche die Stadt als Magnet für Gäste aus der Schweiz und aus aller Welt zum Thema. Der Schweizer Tourismus steckt in der Krise, in Basel hingegen nimmt die Zahl der Übernachtungen von Jahr zu Jahr zu. Wir nehmen in loser Folge den einen oder andern Augenschein, was Basel den Besuchern bietet – mal ernst, mal mit einem Augenzwinkern. #BesuchInBasel

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