Die Sinnkrise schlägt zurück: Wer soll das Zeug an der Muba nur kaufen?

Innovativer und kreativer will sie sein, die Muba 2018. An der Messe zeigt sich das Drama des real gelebten Kapitalismus.

Zuerst sehen wir Staubsauger. Dann Bügeleisen und Bügelbretter, Vanille-Proteinshakes für schöne Muskeln und Nahrungsergänzungsmittel für «Gewichtskontrollziele».  Schon wieder Staubsauger – dieses Mal sind es Dampfstaubsauger. Eine Frau an einem Coiffeurstand fragt, ob sie mir die Haare machen soll, und erhält die Antwort: «Danke, ich bin schon schön», was sie mit einem Stirnrunzeln quittiert. Schön genug geht nie, mit zufriedenen Menschen lässt sich kein Geld machen.

Trügerisches Glücksversprechen

Wobei, mit der Zufriedenheit ist es schnell vorbei. Der Fotograf sucht ein Sujet: «Das ist so lausig hier, ich bin völlig uninspiriert.» Einen Stock höher spazieren Senioren pärchenweise durch Wohnküchen und Sofagarnituren, probieren Latte macchiatos und betrachten kristallene Steine, die zwischen Springbrunnen liegen und rot und grün leuchten.

Die Muba will dieses Jahr kreativer und innovativer sein, wie Messeleiter Daniel Nussbaumer letztes Jahr der BaZ anvertraute. Hier bei den Möbeln ist es eher wie in den «Zeiten des Aufruhrs» der 50er-Jahre von Richard Yates – ein Paar folgt dem trügerischen Glücksversprechen von Haus und Garten, bis es zwischen den muffigen Möbeln keine Luft mehr kriegt.

Weiter oben finden wir dann doch noch, was der Messeleiter wohl meinte: Hier kann man was erleben. Da hat zum Beispiel ein schwedisches Billigmöbelhaus eine Wohnwelt ausgestellt, wie die Jungen sie gerne haben. So mit skandinavisch-pastellfarbenen Kissen und verchromten Leuchten.

Es herrscht ein kleines Puff in dieser Wohnung, das Bett ist zerwühlt, eine Tüte Milch steht auf dem Tisch. Hier wohnen Leute. Würkli jetzt. Während der Muba schlafen hier vier Studenten, zwei Männchen, zwei Weibchen, frisch «gecastet» für die Muba. Jetzt sind sie gerade nicht da, sondern an irgendwelchen Ständen bei irgendwelchen «Challenges». Wer die meisten dieser Herausforderungen besteht, hat am Schluss gewonnen. Geld kriegen die Versuchspersonen keines, wie ein Pressemensch sagt. Was haben die denn davon? «Spass natürlich.»

Einkaufen als Erlebnis allein reicht nicht mehr, deshalb setzt die Muba auf Action, Action, Action.

Was für eine blöde Frage. Spass natürlich. Lebenselixier der leistungsorientierten Wohlstandsmenschen, die alles geben, um alles zu haben und in der wenigen Freizeit, die ihnen bleibt, den ultimativen Kick suchen. Um Häuser zu besetzen, reicht die Energie nicht, lieber lässt man sich von einem Grossunternehmen einspannen, für ein Big-Brother-Programm, das so abgelutscht ist, dass sich George Orwell in seinem Sarg längst nicht mehr umdrehen mag.

Aber einkaufen als Erlebnis allein, das reicht halt nicht mehr. Das weiss auch die Muba und versucht verzweifelt, der leidigen Internetkonkurrenz und dem Besucherschwund zu trotzen. Mit Action, Action, Action: An einem Stand kann man sich in einen kleinen Simulator setzen, der einem vorgaukelt, man sitze in einer Achterbahn. An einem anderen Stand kann man lernen, einen Song aufzunehmen.

Motzen ist einfach

Es gibt Kochworkshops und Probefahrten mit einem Tesla. Man kann Stühle basteln und lernen, Fliegen zu binden. Kinder können gamen und Lego zusammenbauen, und und und. «Stellen Sie sich vor, es gäbe ein Lifestylemagazin, das man nicht nur lesen, sondern auch betreten, mitgestalten und hautnah erleben kann», schreibt die Muba über ihr Angebot.

So richtig verübeln mag man ihr diese Eventkultur nicht. Es ist einfach, darüber zu motzen, dass Lifestyle das Leben mit Konsumieren verwechselt. Denn die Verkäufer haben andere Sorgen. Die stehen da im Kunstlicht an ihrem Messestand und hoffen, dass sich einige Kundinnen zum Kauf verleiten lassen, damit sie ihr täglich Brot verdienen. Da ist etwa eine Konditoreibesitzerin aus der Ostschweiz, die Kuchen anbietet. Hat sich der Weg gelohnt? «Ich hoffe es, ich hoffe es wirklich.»

Es ist das Drama des real existierenden Kapitalismus: Jeder ist existenziell davon abhängig, dass die Leute das ganze Zeug kaufen, das irgendwelche anderen Leute im Schweisse ihres Angesichts herstellen, das aber niemand wirklich braucht. Sogar die Künstlerinnen und Staatsangestellten, die von Steuern leben und sich das Träumen vielleicht noch leisten können, hängen am Tropf der Wirtschaft.

Der Fotograf senkt seine Kamera. «Es war nicht das Ziel, dass wir eine Sinnkrise haben, wenn wir hier rauskommen», sagt er. Doch sie ist hier, die Sinnkrise, wir tragen sie nun noch zum Polizeistand. Da gibt es einen Trottinett-Parcours. «Der ist eigentlich für die Kinder, aber Sie dürfen auch eine Runde drehen«, sagt die Polizistin freundlich.

Das Trotti ist flott und die Kurven sind eng. Wir haben sie gerne, diese Polizistin.

Die Muba 2018 dauert noch bis zum 29.  April.

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