Bei eisigem Frost in weiten Teilen Russlands sind bisher mindestens 128 Menschen ums Leben gekommen. Mehr als 1800 Personen mussten wegen Erfrierungen medizinisch versorgt werden. Rund die Hälfte von ihnen liegt noch in Kliniken, wie die Nachrichtenagentur Interfax am Mittwoch meldete.
Experten gehen bei der Zahl der Toten von einer deutlich höheren Dunkelziffer aus. Vor allem für Obdachlose stehen kaum warme Orte mit heisser Verpflegung oder Notquartiere bereit.
In zahlreichen Gegenden des Riesenreiches fielen die Temperaturen tagelang auf weit unter minus 30 Grad. Medien zufolge herrschten in einigen Gebieten die härtesten Dezemberfröste seit 50 Jahren.
Mehr als 250’000 Kinder in Kindergärten und Primarschulen hatten kältefrei. Wegen eines defekten Heizkraftwerkes rief die südsibirische Teilrepublik Tuwa für die betroffene Region den Notstand aus. Tausende Menschen mussten wegen der tagelangen Kälte von unter minus 40 Grad ihre Häuser verlassen.
Helikopter flogen Frauen und Kinder in die nächste Grossstadt. Aus benachbarten Regionen brachten Helfer Dutzende Heizkörper sowie 65 Tonnen Lebensmittel in das Gebiet an der Grenze zur Mongolei.
Gefährliche Feuer
Zahlreiche Menschen kamen auch bei Bränden ums Leben, als sie sich an maroden Öfen oder offenen Feuern aufwärmen wollten. So häuften sich etwa in Medien Berichte über Gasexplosionen, weil Sicherheitsvorschriften nicht eingehalten worden seien.
Die Metropolregion Moskau erlebte am 24. Dezember die bislang eisigste Nacht des Jahres. Am kältesten war es mit minus 32,2 Grad im Dorf Tscherusti im Osten des Moskauer Gebiets. Seither stiegen die Temperaturen aber rasant um etwa 20 Grad.
Die Behörden warnten jedoch vor glatten Strassen aufgrund von gefährlichem Eisregen. Auch tauende und von Dächern herabfallende Eiszapfen seien eine Gefahr. Der oberste Amtsarzt Gennadi Onischtschenko rechnet zudem mit einer deutlichen Zunahme von Grippe-Erkrankungen.
Der harte Frost hat auch Folgen für die Landwirtschaft im grössten Land der Erde. In fünf Regionen sei bis zu einem Drittel der Wintergetreide-Aussaat verloren, sagte Vizeregierungschef Arkadi Dworkowitsch. Landesweit lägen die Verluste aber mit 8 bis 9 Prozent im Durchschnitt der vergangenen Jahre.
Auch aus den russischen Nachbarländern Ukraine und Polen wurden Dutzende Kältetote gemeldet: Aus der Ukraine mehr als 80 und aus Polen fast 60.
Badewetter in Südfrankreich
Aus Südfrankreich wurden andere Wetterkapriolen gemeldet: In Biarritz an der französischen Atlantikküste wurde es am Sonntag 24,3 Grad warm, wie die Wetterbehörde erklärte. Das sind fast zwölf Grad mehr als die Durchschnittstemperatur zu dieser Jahreszeit.
Der Klimaphysiker Tim Palmer von der Universität Oxford führte die Wetterextreme auf den Jetstream der nördlichen Hemisphäre zurück, ein Luftstrom in sechs bis 15 Kilometern Höhe, dessen Schwankungen derzeit besonders stark sind.
Dieser Jetstream bringt kalte Luft aus dem hohen Norden nach Russland und warme Luft in den Süden Frankreichs und die Nachbarländer. Die Frage, ob dieses Phänomen Ausdruck der Klimawandels sei, ist nach Palmers Worten derzeit noch nicht wissenschaftlich geklärt.