Das Ausmass der jüngsten Flüchtlingstragödie vor der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa ist weit grösster als bisher angenommen. 181 Menschen, darunter viele Kinder, seien beim Untergang eines Flüchtlingsbootes am Samstag ums Leben gekommen.
Das berichteten Augenzeugen am Dienstag. Zuvor war von 30 Toten, darunter ein Kind, die Rede gewesen. An Bord des von der libyschen Küste abgefahrenen Bootes befanden sich laut den Überlebenden 759 Menschen, 568 von ihnen konnten gerettet werden. Es habe sich um Flüchtlinge aus Syrien, Pakistan, Nigeria und Ghana gehandelt.
Die Augenzeugen berichteten, dass die im Lagerraum gefundenen toten Menschen nicht wie anfangs vermutet erstickt seien, sondern von anderen Schiffspassagieren erstochen worden seien, um zu verhindern, dass sie ans völlig überfüllte Deck gelangten.
Auf der Internetseite der Tageszeitung «La Repubblica» war eine Videoaufnahme zu sehen mit hunderten verzweifelt um Hilfe rufenden Menschen auf dem Boot, während mehrere Flüchtlinge bereits im Wasser um ihr Leben ringen.
Das Flüchtlingsboot mit den im Lagerraum entdeckten Leichen wurde nach Malta geschleppt, während die geretteten Insassen nach Messina auf Sizilien gebracht wurden. Zwei Flüchtlinge in kritischem Zustand wurden am Samstag mit dem Helikopter in ein Spital nach Palermo auf Sizilien geflogen.
Polizei nimmt Schlepper fest
Fünf mutmassliche Schlepper wurden am Dienstag von der Polizei in Messina mit dem Vorwurf des mehrfachen Mordes festgenommen worden. Sie sollen das Fischerboot mit den Flüchtlingen gesteuert haben. Die Staatsangehörigkeit der Festgenommenen wurde nicht bekanntgegeben.
Die mutmasslichen Schlepper wurden von den Überlebenden angezeigt. Um auf dem vollkommen überladenen Boot Raum zu schaffen, sollen sie unzählige Flüchtlinge über Bord geworfen haben. Sie sollen Leichen von Passagieren ins Meer geworfen haben, die zuvor erstochen oder totgeschlagen wurden, berichtete die Polizei nach Medienangaben.
Mehr Flüchtlinge
Die Zahl der Todesopfer bei gefährlichen Flüchtlingsüberfahrten über das Mittelmeer hatte in den vergangenen Monaten deutlich zugenommen. Am Montag wurden fünf Leichen von Flüchtlingen an Bord eines sinkenden Schlauchbootes vor Sizilien geborgen.
Nach Angaben des italienischen Innenministeriums kamen seit Jahresbeginn bereits 84’000 Flüchtlinge in Süditalien an. Die Hälfte von ihnen stammen aus Eritrea und Syrien. In der Rangliste der Länder, aus denen die meisten Flüchtlinge stammen, folgen Somalia, Mali und Gambia. 6500 Minderjährige trafen unbegleitet in Italien ein.
Diese Zahlen übertreffen jene aus den Vorjahren bei Weitem. 2013 zählte das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) 42’925 Ankünfte von Flüchtlingen in Italien, 2012 waren es lediglich 13’200 gewesen.