Reicht eine Idee für einen Film? Oder braucht es eine zweite? Wie man Geld sammelt, zum Beispiel.
Der Regisseur und Produzent Giacun Caduff ist ein Sausewind. Es gibt nichts was er nicht erfolgreich anpackt. Auch im Geldsammeln und Organsieren ist er ein Unikat. Zwischen Leichtsinn und Wagemut hat er seinen ersten Film gemacht – an allen Fördergremien vorbei.
«20 Regeln für Silvie»
Silvie tut, was Papa sagt. Darin zumindest unterscheidet Silvie sich von Mädchen ihres Alter gründlich: Sie feiert ihren Geburtstag, und will vor 22h zu Hause sein. Weil Silvie (mit 20?) tut, was Papa sagt, macht Papa sich Sorgen, dass Silvie das nicht mehr tut, wenn sie erst einmal fern von ihm – in der Basel-Stadt – ist. Also setzt er ihr ein Regelwerk vor die Nase: «20 Regeln für Silvie» die Silvie befolgen muss.
Das klingt nach einer brillanten Film-Idee. Nichts kann eine hübschere Teenie-Komödie ergeben, als ein Töchterchen, das nun allen Versuchungen des ungezügelten Lebens in Basel-Stadt (?) ausgesetzt wird, und jeder einzelnen in einem heroischen Kampf widersteht, oder wenigstens nur knapp unterliegt. Wir wären sogar gerne dabei, wenn Silvie in Basel-Stadt mal richtig über die Stränge haut.
Da geht dem Sausewind die Luft aus
Aber dann ist da noch die zweite Idee: Wer Regeln macht, will sie auch durchsetzen: Also lässt uns «20 Regeln für Silvie» lange bei dem auch sehr braven Papa, der seine Tochter überwachen will, weilen, so lange, bis wir fast vergessen haben, dass wir in einer Teenie-Posse sitzen. Nachdem Papa sämtliche aufgestellten Regeln selber gebrochen hat, trifft er immerhin wieder auf seine Tochter, die in der Zwischenzeit wohl eher 29 wird.
Wenn Serien-Autorenteams hagestolze Väter in die Stadt reisen lassen, werden Kleinbürger zu Wildtieren, Dialoge zu Pointenfeuerwerken. Aber «20 Regeln für Silvie» hat zu Kleinbürgern nicht viel zu sagen. Was nicht heisst, dass es dennoch gesagt wird. Immerhin wird viel Liebe zum Detail sichtbar. Selbst die schlüpfrigen Szenen hat man selber gebastelt. Erst dann rast der Film im Sauseschritt zurück in die Teenie-Welt.
Ein Film wie eine gute Party – am nächsten Tag weiss man nichts mehr davon
Endich dann die Film-Party. Das geht so: Getränke bereitstellen, eine anständige Lightshow schoppen, guten Sound checken, Gäste twittern, Dialoge whatsuppen, die etwas slangig klingen, aber auch in einer SMS zusammengefasst werden können. Auf Themen-Parties müssen die Gäste auch nicht unbedingt zusammenpassen. Sie müssen sich nur verkleiden: Der brave Teenie. Die schrille Szene-Dame. Der laue Papa. Jede stammt aus einem anderen Film. Da passt vieles nicht zusammen, aber das tut dem Spass keinen Abbruch: Teenie-Komödie leben von viel Einfalt – das ergibt dann auch Vielfalt.
Dass man nicht lange über einen Film nachdenken will, wenn man ihn gesehen hat, das sagt noch nicht alles über den Film. An den «20 Regeln für Silvie» ist ja auch vieles lustig. Die Gesichtsausdrücke sind lustig. Das Auto ist lustig. Das Video ist lustig. Die Drogen sind lustig. Die Schaupielerinnen sind lustig. Basel-Stadt ist sowieso voll lustig. Der Regisseur ist ganz sicher lustig. Das Schlammbassin ist voll krass lustig. Sogar die Ballons sind lustig. Und ein Joint ist immer etwas Tetralustiges. Sogar die Finanzierung des Filmes ist lustig. Allein, wenn alle den Film sehen wollen, die finanziell etwas beigetragen haben, wird’s auch im Zuschauerraum ein paar Wochen lang megalustig. Bloss: Warum?
Das ist das Komische am Komischen: Es will gar nicht lustig sein.
«20 Regeln» ist immerhin fertig geworden! Das ist denn auch die eigentliche Leistung von Giacun Caduff: Er hat Hunderte von Geldgebern überzeugt. Er hat für seine Party die Leute gewonnen. Er hat viele neue und alte Gesichter zusammengebracht. Er hat ein wirksames Crowd-Founding angerissen. Er hat einen aufopfernden Marathonlauf der Geldsammlung hinter sich, und er ist mit der Truppe am Ziel. In Zürich lief der Film am Montag an. In Basel kam er gestern an. Das zeigt immerhin das Recht des Erstlings: Er soll, bitte, auch leichtsinnig sein dürfen.
Für Caduffs zweiten Film füge ich hier noch die zwanzig Regeln für ein gutes Drehbuch an. Die werden helfen, sich nächstes Mal schon über das Drehbuch mehr Gedanken zu machen. Auch die «20 Regeln der Schauspielerführung» wären für einen zweiten Film hilfreich.
Das Sequel könnte dann «The Making-Off of Silvie» heissen. Es sollte davon handeln, wie Silvie ihren ersten Film produziert. Das war nämlich gewiss das eigentliche Abenteuer dieses Films. Alle tapferen Beteiligten, wie Carlos Leal, Viola von Scarpatetti, Bettina Dieterle , Joël von Mutzenbecher, Steve Devonas werden hoffentlich dabei sein: Auf «20 Regeln, wie man einen ersten Film produziert» sind wir also jetzt schon gespannt. Selbstverständlich auch, ohne lange darüber nachzudenken.
Der Film läuft in den Pathé-Kinos.