Zwei Tage nach der offiziellen Einweihung durch Bundesrätin Doris Leuthard hat die Bevölkerung den neuen Tiefbahnhof Löwenstrasse unter dem Zürcher Hauptbahnhof in Beschlag genommen. Zu Tausenden kamen Schaulustige um das Zürcher Jahrhundertbauwerk zu bestaunen.
Sie gehöre zwar nicht zu den regelmässigen Bahnbenutzerinnen, gesteht die Frau aus dem Aargau. Schon um 10 Uhr steht sie in der Schlange vor dem Infostand in der Bahnhofhalle und hofft, ein Gratisticket zu ergattern. Ihr Enkel habe sich so sehr eine Fahrt durch den neuen Tunnel gewünscht.
Die Gratisfahrten mit dem «Tunnelturbo» – einer S-Bahn der neusten Generation – erwiesen sich als der erwartet grosse Renner. Schon Tage vor dem Eröffnungsfest gingen die Billette im A4-Format mit genauen Faltanweisungen für die Einlasskontrolle über das Internet weg wie «warme Weggli».
Vorsorglich hatte die SBB noch einige Tickets zurückbehalten. So konnten laut SBB-Sprecher Reto Schärli noch rund 3000 Tickets am Bahnhof an Kurzentschlossene abgegeben werden.
10’000 Personen nutzten die Gelegenheit, den Tunnel zwischen Hauptbahnhof und Oerlikon zu befahren, wie SBB-Sprecherin Lea Meyer auf Anfrage sagte. Während der gemächlichen Fahrt nach Wallisellen und zurück in den Bahnhof Löwenstrasse gab es aus den Lautsprechern allerlei Wissenswertes über den Bau und Betrieb des 4,5 Kilometer langen Weinbergtunnels.
Erwartungen weit übertroffen
Der unterirdische Bahnhof Löwenstrasse und der Weinbergtunnel sind das Herzstück der ersten Etappe der Zürcher Durchmesserlinie (DML). Zur Eröffnungsfeier kamen am Samstag nach Schätzungen der SBB gegen 200’000 Besucherinnen und Besucher in den Hauptbahnhof. «Die Erwartungen seien deutlich übertroffen worden», sagte Meyer.
Der Betrieb verlief ohne grössere Pannen. Einzig einige Rolltreppen fielen vorübergehend aus, weil Brandmelder losgingen. Die Ursache sei noch nicht bekannt, sagte Meyer.
SBB und der Zürcher Verkehrsverbund (ZVV) unterhielten die Besucher mit zahlreichen Attraktionen und Infoständen. Auf grosses Interesse stiess die Präsentation der neustem Flotte der S-Bahn-Züge und der neuste Lösch- und Rettungszug. Die Stadt gab an einem Stand auf spielerische Art Einblick in das Zürcher Mobilitätsangebot.
SBB-Musiker begeistern Publikum
Zahlreiche Festbesucher nutzten die Möglichkeit, sich von professionellen Fotografen ein Erinnerungsfoto schiessen zu lassen. In der Haupthalle konnten zudem Gross und Klein in einem Geschicklichkeitsspiel die «schnellste Verbindung» suchen.
Gross war jeweils zur vollen Stunde das Gedränge vor der Bühne in der Haupthalle. Grund dafür waren die konzertanten Einlagen des SBB-Orchesters. Die 1996 gegründete Blasband mit SBB-Angestellten aus der ganzen Schweiz begeisterte das Publikum mit beachtlichem Können und einem breiten Repertoire.
Unterstützt wurden die Musiker vom Gesangsduo Selina & Hanspeter. Die SBB-Sachbearbeiterin und der SBB-Lokführer hatten in den letzten Wochen mit dem Werbesong «Welcome Home» im Schnellzugstempo die Top-10 der Hitparade erobert. Dazwischen führten die beiden SRF-Moderatoren Nadja Zimmermann und Nik Hartmann Kurzinterviews mit Protagonisten der Durchmesserlinie.
Gleichzeitig mit dem DML-Volksfest öffneten 40 Läden und Gastrobetriebe in der neuen Passage «Gessnerallee» ihre Türen. Mit dem neuen Angebot gehört der Bahnhof Zürich laut Hanspeter Steiner von SBB-Immobilien umsatzmässig zu den vier grössten Einkaufszentren der Schweiz.
Ab Sonntag geht die DML in Betrieb
Nach den Eröffnungsfeierlichkeiten wird der erste Teil der DML am Sonntagmorgen dem Verkehr übergeben. Neu verkehren die S-Bahn-Linien S2, S8 und S14 durch den Durchgangsbahnhof Löwenstrasse und halten nicht mehr in Zürich-Wipkingen. Die fahrplanmässige Erstfahrt durch den Weinbergtunnel begleiten SBB-Chef Andreas Meyer, ZVV Direktor Franz Kagerbauer sowie Gäste aus der Politik.
Die Bewähungsprobe steht am Montagmorgen an, wenn die grossen Pendlerströme einsetzen. Um den Passagieren die neuen Gehwege im unterirdischen Bahnhof Löwenstrasse zu erklären, setzen die SBB zahlreiche Kundenlenker ein.
Gleichzeitig mit der Inbetriebnahme des Bahnhofs Löwenstrasse wird der Flügelbahnhof Sihlpost mit den Gleisen 51 bis 54 stillgelegt und ab nächster Woche abgebrochen. Auf dem frei werdenden Trassee baut die SBB die letzte Etappe des neuen Quartiers Europaallee.