Sechs Monate nach dem Entscheid im Hauptverfahren, hat das Bundesstrafgericht sein Urteil zu den Zivilforderungen im Fall Behring bekannt gegeben. Die Geschädigten erhalten Schadensersatzansprüche von rund 207 Millionen Franken. Behring will das Urteil weiterziehen.
Das Gericht hatte für sein Urteil vom Donnerstag insgesamt 1189 Schadensersatzforderungen für das Verfahren berücksichtigt, nachdem sich einige Privatkläger aus dem Verfahren zurückgezogen hatten. Das Bundesstrafgericht hätte dabei die Möglichkeit gehabt, alle Forderungen auf den Zivilweg zu verweisen.
In Anbetracht des 12-jährigen Vorverfahrens wäre dies aber «stossend» gegenüber den Geschädigten gewesen, sagte Richter Daniel Kipfer in seiner Urteilsbegründung.
Im Zuge der Beurteilung seien die Fälle in drei Kategorien unterteilt worden: 347 Personen sollen Schadensersatzforderungen mit einem Zins von 5 Prozent erhalten; die gesamte Forderungssumme beträgt rund 92 Millionen Franken.
Für die Berechnung der individuellen Ersatzforderungen seien keine Gewinnaussichten der geschädigten Anleger berücksichtigt worden, sagte Kipfer. Ansprüche hätten ausserdem nur auf Einzahlungen ab Oktober 2001 bestanden.
Urteil noch nicht rechtskräftig
Bei 469 Personen wurde dagegen auf Schadensersatzforderungen ohne Zins entschieden. Hier liegt der Betrag bei rund 114 Millionen Franken. In 373 anderen Fällen verwies das Gericht auf den Zivilweg, weil unter anderem keine bezifferte Forderung vorlag oder der Fluss der Investitionen nicht nachvollziehbar war.
Insgesamt hat das Bundesstrafgericht also Schadensersatzansprüche von rund 207 Millionen Franken gutgeheissen. Die eingegangen Forderungen waren mit 420 Millionen Franken deutlich höher, allerdings fielen sie teilweise in die Zeit vor der Verjährungsfrist.
Dieter Behring hatte im Hauptverfahren im vergangen Jahr den Wunsch geäussert, dass seine eingezogenen Vermögenswerte an die Geschädigten ausbezahlt werden sollen. Diese bezifferte der Richter am Donnerstag auf einen «mittleren zweistelligen Millionenbetrag».
Kipfer rief zugleich in Erinnerung, dass auch die Eidgenossenschaft eine gerichtlich zugesprochene Ersatzforderung von 100 Millionen Franken an Behring hat – es sei jedoch möglich, dass diese zugunsten der Geschädigten darauf verzichtet.
Bevor aber überhaupt Schadensersatzforderungen ausbezahlt werden können, muss das Urteil rechtskräftig sein. Laut Kipfer soll das begründete Urteil «in einigen Wochen» vorliegen. Behrings Privatverteidiger kündigte nach der Urteilsverkündung auf Anfrage an, dass er und sein Mandant das Urteil ans Bundesgericht weiterziehen werden.
Enttäuschtes Vertrauen der Geschädigten
Das Bundesstrafgericht in Bellinzona hatte Behring im September 2016 wegen gewerbsmässigen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von fünfeinhalb Jahren verurteilt. Der Richter sah es als erwiesen an, dass Behring über ein «Schneeballsystem» rund 2000 Anleger schädigte – 800 Millionen Franken gingen verloren. Dem voraus ging ein beinahe zwölfjähriges Verfahren.
Währen der Hauptverhandlung im vergangenen Jahr kamen in Bellinzona auch zahlreiche geprellte Anleger zu Wort. Die Bandbreite reichte dabei von der treuseligen Kleinanlegerin bis zum Unternehmer, der 1,75 Millionen Franken mit seiner Investition verlor. Sie berichteten in erster Linie von enttäuschtem Vertrauen: In Bekannte, Bankberater oder in das «System Behring» selbst, das sie teilweise nur aus Hochglanzprospekten kannten.