Ein halbes Jahr nach den Protesten rund um den Istanbuler Gezi-Park hat die Staatsanwaltschaft der türkischen Metropole 255 Demonstranten angeklagt. Wie die Behörde am Dienstag mitteilte, sind auch sieben Ausländer unbekannter Nationalität unter den Beschuldigten.
Den Demonstranten werden demnach unter anderem Verstösse gegen das Versammlungsrecht und Sachbeschädigung vorgeworfen. Bei einer Verurteilung drohen ihnen mehrjährige Haftstrafen. Ein Termin für den Prozessbeginn wurde nicht genannt. Es ist die grösste Anklagewelle von Demonstranten seit den Protesten im Sommer.
Nach Angaben der Zeitung «Hürriyet» wurden seit den Unruhen in Istanbul schon 40 verschiedene Anklagen gegen insgesamt 308 Teilnehmer der Demonstrationen erhoben. Mehrere Dutzend Ermittlungsverfahren laufen noch. Auch mehrere Polizisten sind wegen des Todes von Demonstranten angeklagt.
Die Demonstrationen hatten sich Ende Mai an einem brutalen Polizeieinsatz gegen eine Protestaktion gegen die Bebauung des Gezi-Parks in der Istanbuler Innenstadt entzündet. Die Proteste, die sich rasch auf das ganze Land ausweiteten, richteten sich zunächst vor allem gegen die harte Reaktion der Polizei.
Bald wandten sie sich aber allgemein gegen die Politik des konservativen Premiers Recep Tayyip Erdogan. Die Demonstranten warfen Erdogan vor, die türkische Gesellschaft islamisieren zu wollen, und kritisierten seinen autoritären Regierungsstil.
Bei den drei Wochen dauernden Protesten, an denen in rund hundert Städten insgesamt mehr als 2,5 Millionen Menschen teilnahmen, wurden tausende Menschen festgenommen. Bei Zusammenstössen mit der Polizei wurden mehr als 8000 Menschen verletzt und sechs Menschen getötet.