Rund 4000 Personen haben am Donnerstagabend in der Stadt St. Gallen gegen die Sparpolitik der Regierung protestiert. Diese will die Löhne von rund 22’000 Kantonsangestellten im kommenden Jahr um 1,5 Prozent kürzen. Der Kantonsrat entscheidet Ende November darüber.
Das Spitalpersonal, die Polizisten, die Angestellten der Kantonsverwaltung, aber auch die Berufs- und Mittelschullehrer wären von der Sparmassnahme betroffen. Das Parlament entscheidet mit der Debatte über das stark defizitäre Budget 2013 über die befristete Lohnkürzung. 16 Millionen liessen sich damit einsparen.
Die Protestaktion gegen die Sparpolitik der Regierung wurde getragen von der Personalverbändekonferenz des Kantons St. Gallen und den Gewerkschaften. Nach einem Sternmarsch fanden die Staatsangestellten in der Marktgasse im Stadtzentrum zusammen.
Volle Marktgasse
Auf der Marktgasse zwischen Vadian-Denkmal und Zolli-Bolli gab es kein Durchkommen mehr. Die Demonstranten kamen in ihrer Arbeitskleidung, trillerten mit Pfeifen und trugen Transparente. Vertreter von Personalverbänden sprachen zu den Protestierenden.
Der St. Galler SP-Ständerat und Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB), Paul Rechsteiner, sagte, St. Gallen habe kein Ausgaben-, sondern ein Einnahmenproblem. Schuld daran seien die Steuergesetzrevisionen der vergangenen Jahre, von denen in hohem Masse die Reichen und die Unternehmen profitieren würden.
Die St. Galler Staatsangestellten leisteten wertvolle Arbeit, sagte Rechsteiner. Der Stress am Arbeitsplatz nehme zu, der Lohn und die Wertschätzung dagegen würden kleiner, sagte der SP-Ständerat. Der Kanton St. Gallen zahle keine Luxuslöhne, und eine Lohnkürzung sei eine „brutale Massnahme – immer“, sagte Gewerkschafter Rechsteiner.
Die Steuerreduktionen müssten rückgängig gemacht werden, sagte er. Sonst würde ein Sparpaket das andere jagen in den nächsten Jahren. „St. Gallen hat Besseres verdient“, sagte er – und erhielt Applaus.
„Es geht nicht anders“
Der St. Galler Finanzdirektor Martin Gehrer gab während der Kundgebung Journalisten Interviews. Er sagte, der grosse Aufmarsch der Staatsangestellten überrasche ihn nicht. Er sehe zwei Varianten, um die Staatsfinanzen wieder ins Lot zu bringen: Die Leistungen auf heutigem Niveau halten und Steuern erhöhen oder ein Leistungsabbau.
Die Steuergesetzrevisionen der letzten Jahre, die der Kantonsrat beschloss, seien ambitiös gewesen, räumte Gehrer ein. Grund für die finanzielle Schieflage des Kantons St. Gallen seien aber die Übernahme von Aufgaben des Bundes und die schwache Wirtschaftslage.
Die Finanzlage im Kanton St. Gallen ist trotz bereits beschlossener Sparpakete prekär. Für 2013 beantragt die Regierung dem Parlament eine Steuererhöhung von 10 Prozent. Wenn zudem Reserven von 110 Millionen aufgelöst werden, bleibt ein Defizit von 23,8 Millionen Franken bei einem Aufwand von rund 4,5 Milliarden Franken.