48-jähriger Entführer seiner eigenen Töchter verlangt Freispruch

Mehrere Jahre nach der Entführung seiner Kinder in den Libanon steht ein Vater vor Gericht. Dem 48-Jährigen droht eine siebenjährige Freiheitsstrafe. Vor dem Kreisgericht Rheintal verlangte er am Mittwoch einen Freispruch.

Das Kreisgericht Rheintal verhandelte am Mittwoch im Rathaus von Rheineck den Fall eines Libanesen, dem die Entführung der eigenen Töchter vorgeworfen wurde. (Bild: sda)

Mehrere Jahre nach der Entführung seiner Kinder in den Libanon steht ein Vater vor Gericht. Dem 48-Jährigen droht eine siebenjährige Freiheitsstrafe. Vor dem Kreisgericht Rheintal verlangte er am Mittwoch einen Freispruch.

Das Urteil gegen den gebürtigen Libanesen, der seit 30 Jahren in der Schweiz lebt und wegen psychischer und körperlicher Probleme sozialhilfeabhängig ist, wird Ende Woche schriftlich eröffnet.

Laut Anklage hatte der Angeklagte im September 2009 seine Schweizer Ehefrau mit den gemeinsamen Kindern im Alter von 11, 13, 16 und 17 Jahren unter dem Vorwand der Doppelheirat seiner Neffen in den Libanon gelockt.

In seinem Heimatort Baalbek habe er Frau und Kindern die Pässe, Flugtickets und die Mobiltelefone abgenommen und ihnen eröffnet, die Familie werde die nächsten zwei Jahre im Libanon bleiben.

Drei Wochen später konnte die Mutter mit den beiden Söhnen aus dem Libanon ausreisen. Den 13- und 16-jährigen Töchtern verweigerte der Vater jedoch die Rückreise in die Schweiz.

Ausreisesperre

Der Angeklagte habe bei einem Scharia-Gericht eine Ausreisesperre gegen seine Töchter verhängen lassen, sagte die Staatsanwältin: «Die beiden Mädchen waren in einem Dorf in einer von der Hisbollah beherrschten Region gefangen und wussten nicht, ob sie jemals wieder zurück in die Schweiz konnten.»

Der Angeklagte habe seine ältere Tochter immer wieder geschlagen und ihr gedroht, sie zu töten oder in den Iran zu bringen. Die beiden Mädchen seien derart eingeschüchtert gewesen, dass sie gegenüber den libanesischen Behörden und der Schweizer Botschaft erklärten, sie seien freiwillig im Land.

Rückführung nach 19 Monaten

Auch als der Vater zurück in die Schweiz reiste und dort verhaftet wurde, blieben die Mädchen bei den Verwandten des Angeklagten gefangen.

Erst 19 Monate später, im April 2011, gelang es den Behörden, die beiden Teenager zurück in die Schweiz zu bringen. Wegen mehrfacher Freiheitsberaubung und Entführung verlangt die Staatsanwaltschaft eine siebenjährige Freiheitsstrafe.

«Mutter gab Einverständnis»

Der Verteidiger forderte am Mittwochnachmittag einen Freispruch. Die Anklage stütze ihre Vorwürfe in diesem «unklaren Fall mit hohem Strafantrag» lediglich auf die Aussagen von Mutter und Töchtern. Beweise für die Vorwürfe gegen den Angeklagten gebe es nicht.

Laut dem Angeklagten reiste die Familie freiwillig in den Libanon. Auf Anraten seines ältesten Bruders habe er seinen Töchtern die Möglichkeit geboten, in seinem Heimatdorf zu bleiben, um Arabisch zu lernen. Die Mutter habe anfangs gezögert, sei jedoch nach mehreren Gesprächen mit einem mehrwöchigen Sprachaufenthalt ihrer Töchter einverstanden gewesen.

Töchter sind traumatisiert

Die beiden heute erwachsenen Töchter folgten der Verhandlung unter Tränen. Sie fordern von ihrem Vater eine Genugtuung von je 240’000 Franken sowie die Wiedergutmachung des finanziellen Schadens, der durch die Entführung und Gefangenschaft entstanden sei, in Höhe von mehreren hunderttausend Franken.

Die jungen Frauen seien traumatisiert und litten auch vier Jahre nach ihrer Rückführung unter Panikattacken, sagte der Opfervertreter. Ihr eigener Vater habe sie an die Verwandtschaft verschachern wollen. «Den Mädchen drohte eine Zwangsheirat und das Leben in einem Kulturkreis, in dem Frauen absolut keine Rechte haben», sagte der Rechtsanwalt.

Gewalttätiger Vater

Die beiden Teenager hätten ein 600-tägiges Martyrium erlebt, sagte der Opferanwalt und las einen Brief vor, den die ältere Tochter ihrem Vater nach ihrer Rückkehr in die Schweiz geschrieben hatte. Darin heisst es: «Du hast mich seit meinem siebten Lebensjahr immer wieder verprügelt. Das Einzige, was ich von dir habe, ist eine sieben Zentimeter lange Narbe an meinem Rücken.»

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