Sie hätte ihm eine Ohrfeige geben, ihn beschimpfen oder gar bespucken können: Stattdessen gab eine Menschenrechtsaktivistin in Montenegro dem Polizisten vor ihrer Nase einen Kuss – und muss dafür nun Strafe zahlen.
Als Reaktion auf die versöhnlich gemeinte Geste sei ihr ein Bussgeldbescheid über 550 Euro ins Haus geflattert, sagte Vanja Calovic der Nachrichtenagentur AFP. Zuvor hatte ein Gericht in Podgorica sie schuldig gesprochen, den zum Schutz eines Amtsgebäudes vor regierungskritischen Demonstranten abgestellten Beamten daran gehindert zu haben, seine Dienstpflicht auszuüben.
Zu der überraschenden Aktion hatte sich Vanja Calovic nach eigenen Worten entschieden, um die aufgeheizte Stimmung während der Strassenproteste im vergangenen Jahr zu entschärfen. «Der Kuss zeigte Wirkung, danach hat sich die Situation beruhigt», sagte sie.
Die Polizei zeigte sich davon wenig beeindruckt und brachte die prominente Aktivistin vor Gericht. Den Ausgang des Verfahrens kann die Beklagte nicht nachvollziehen: «Das Urteil verblüfft mich sehr. Von einer ähnlichen Entscheidung habe ich weder hier in der Region noch in der EU gehört. Statt Mörder zu verfolgen, verurteilen sie mich für einen Kuss.»
Nach Einschätzung Calovics, einer vehementen Kritikerin der montenegrinischen Regierung, sollte das Urteil auch ihre Nichtregierungsorganisation MANS unter Druck setzen. Vor kurzem war die Aktivistin zu 600 Euro Geldstrafe verurteilt worden, nachdem sie während einer anderen Demonstration gegen die Staatsführung Plakate an der Aussenwand des Verfassungsgerichts befestigt hatte.