Was hat uns im Basler Kulturjahr 2012 bewegt? Die TagesWoche präsentiert sieben regionale Kulturereignisse, die besonders auffielen und für Gesprächsstoff sorgten.
Was hat uns im Basler Kulturjahr 2012 bewegt? Die TagesWoche präsentiert sieben regionale Kultuereignisse, die besonders auffielen und für Gesprächsstoff sorgten.
1. Spartenübergreifender Höhenflug
2012 war alles andere als arm an kulturellen Highlights, man denke in Basel etwa an die Renaissance des Theater-Festivals, die langen Schlangen vor Jeff Koons’ Stippvisite in der Fondation Beyeler – oder an die zahlreichen Altrocker, die Basel während der Avo-Session unsicher machten. Doch nur einmal kamen die Sparten Theater, Kunst und Musik auf Weltniveau zusammen: Bei «The Life and Death of Marina Abramovic», einer umjubelten Inszenierung, mit der während der Art Basel der serbischen Performancekünstlerin ein Denkmal gesetzt wurde. Das Gastspiel mit dem Hollywood-Star Willem Dafoe, der engelsgleichen Stimme von Antony Hegarty und der visuell berauschenden Umsetzung von Regisseur Robert Wilson sorgte im Theater Basel für einen unvergesslichen künstlerischen Höhenflug – und führte im Publikum vereinzelt sogar zu Tränen der Rührung.
2. Kreativer Wahlkampf
Erstmals wurde der Basler Regierungspräsident vom Volk gewählt. Baschi Dürr (FDP) und Lorenz Nägelin (SVP) wollten Guy Morin (Grüne) das Präsidium streitig machen und die Hoheit über die Kulturpolitik erlangen. Für Farbtupfer im Wahlkampf sorgten aber vielmehr drei wilde Kandidaten. Da brachte sich etwa Kulturmanager Chrigel Fisch mit einem Herz für die Anarchie und Sinn für Satire humorvoll ins Rennen. Da liess auch der eidg. dipl. Künstler Christian Mueller (Freistaat Unteres Kleinbasel) mit unkonventionellen Ideen aufhorchen. Von allen Wilden legte sich Elia Rediger medial am stärksten ins Zeug. Der Sänger von The bianca Story lud zu Liederabenden in die Mitte, zum demokratischen Songwriting im Internet und zur lustigen Wahlkampfshow auf den Basler Marktplatz. Politik sollte Spass machen, betonte Rediger immer wieder bärtig, und machte «Mut, Chaos, Lockerheit» zu seinem Wahlkampfslogan. Nicht alles war ausgegoren, was er von sich gab und rasch wurde der Vorwurf laut, Rediger gebe den Kandidaten-Kaspar, der den ganzen Trubel zur Bewerbung seiner Kunst veranstaltete. Doch bei allem Spass meinte er es durchaus ernst. Dennoch blieb er am Ende chancenlos, wie auch die anderen Sprengkandidaten. Was bleibt ist die Erkenntnis, dass ein bisschen aufmischen, ein bisschen einmischen diesem doch eher mauen Wahlkampf gut getan hat.
3. Neuer Kulturförderpreis
Im November vergab die Abteilung Kultur Basel-Stadt den ersten Kulturförderpreis in Höhe von 10’000 Franken. Bislang gab es in Basel keine Auszeichnung im Nachwuchsbereich, womit Kulturchef Philippe Bischof den neuen Preis rechtfertigte. «Es geht hier weniger um Ehrung als um Ermutigung und Anschub, mehr um Förderung als um Preisung», sagte er der TagesWoche. Bekommen hat den Preis das Depot Basel – gleich eine streitbare Wahl, da das Depot sich selbst eher im Designbereich ansiedelt. Aber auch eine mutige.
4. Neue Zwischennutzungen: Hafen, Lady Bar, We Flash, Schlosserei
2012 verwandelte sich das nt/Areal zunehmend in ein Wohnquartier. Dennoch konnte man in dieser berlinerischsten Ecke des Basler Stadtkantons noch einmal schöne Sommer-Stunden in der Industriebrache verbringen (wir denken etwa an die «Sommerresidenz»). Als Auffangbecken für einige Zwischennutzungsideen, die auf dem nt/Areal sprossen und nun verpflanzt werden mussten, dient der Hafen: Hier hat Basel-Stadt Zwischennutzungsprojekte ausgewählt und – zwar mit Verspätung – die Belebung ehemaliger Industrieparzellen ermöglicht. Allerdings verlief das nicht ohne Zwischengeräusche. Dass Basel eine «Stadt der Zwischennutzungen» ist bemerkten heuer sogar Zürcher Journalisten. Tatsächlich erfreuten sich Provisorien wie der bereits etablierte Hinterhof eines grossen Publikumszulaufs, aber auch neue Orte lockten Neugierige an: Wir erinnern etwa an «Die Schlosserei» an der Rheingasse oder We Flash in der ehemaligen Galerie Beyeler. Nicht zu vergessen die Lady Bar, die während der Art-Woche Hunderte anlockte und die Absackerstrecke an der Feldbergstrasse zwischen Friends und Agora um eine Etappe reicher machte. Die neue Kulturbar wurde hip, und zwar so nullkommaplötzlich, dass gleichsam die Angst vor Lärmklagen wuchs (nachdem die Polizei ein Konzert von The bianca Story beendet hatte), weshalb die Sozialdemokraten ihren Wahlsieg leise feiern mussten. Doch der Lärm um den «Lärm» wird uns in einer anderen Jahresendliste noch einige Zeilen wert sein.
5. Zwei neue Direktoren
Marie-Paule Jungblut trat ihren Posten als neue Direktorin des Historischen Museums Basel just am 1. August an. Die Nachfolgerin von Burkard von Roda präsentierte gleich einige frische Ideen. Und schon Ende Jahr wurden die ersten Taten deutlich: Gerade eben startete das Museum mit einem neuen Corporate Design, das sowohl Logo wie die Umbenennung der Dachmarke in «HMB – Geschichte bewegt» beinhaltet. Noch nicht so weit ist Andrea Bignasca, der am 1. Januar 2013 die Direktorenstelle von Peter Blome im Antikenmuseum übernehmen wird. Doch was der bisherige Vizedirektor bei seiner Berufung ankündigte, lässt vermuten, dass auch dort bald ein frischer Wind wehen wird.
6. Crowdfunding
Auf einen Stichtag kann man dieses «Ereignis» kaum festnageln. Dennoch führte der Start der beiden ersten grossen Schweizer Crowdfunding-Portale «100 Days» und «We Make It» im Februar 2012 zu einer kleinen, leisen Revolution im Schweizer Kulturbereich: Über eine Million sammelte beispielsweise alleine «We Make It» bis Dezember. Dabei schadete bestimmt nicht, dass die Abteilung Kultur Basel-Stadt als erste offizielle Schweizer Stabsstelle bereits im Juni eine Kooperation mit dem Portal einging, und seither Aline Pieth in einem Teilzeitpensum die regionalen Eingaben betreut. Mittlerweile wurden gerade in Basel bereits eine Reihe eindrücklicher Erfolge erreicht: Man denke etwa an die Realisierung der Skaterrampe auf dem Hafen, der Finanzierung des Polizei-Einsatzes am Jungle Street Groove oder die Zuschüsse zu einer Reihe von hochgelobten Alben: Vom Pionier Tom Best über das Basler Electronica-Duo laFayette bis hin zu Pyros zweitem Album «Schatteboxe», von dem in den ersten Wochen nach der Veröffentlichung Anfang Dezember bereits beinahe die gesamte Erstpressung von 1000 Exemplaren verkauft wurde.
7. Kulturleitbild Basel-Stadt
Es hätte ein wirkliches Ereignis werden sollen. Es hätte auch eines werden können, wenn darin mehr Mut erkennbar gewesen wäre. So hat man zwar lange gespannt darauf gewartet, dann aber, als im April der Tag da war, an dem es Kulturchef Philippe Bischof der Öffentlichkeit vorstellte, zuckte man doch allzu müde mit den Schultern. Denn was im baselstädtischen Kulturleitbild zu lesen war, glich vor allem einer Bestandesaufnahme der hiesigen Kulturszene (inklusive einiger Lücken). Ideen für die Zukunft waren nur sehr dürftig formuliert. Und das einzige, was wirklich aufhorchen liess, war die Forderung, dass Institutionen künftig klar unternehmerischer und marktorientierter zu denken haben. Was genau das heisst und ob es Folgen hat? Das wird die Zukunft zeigen.