7 Dokus gegen den Fussball-Entzug

Was tut man, wenn zur WM-Zeit mal kein Fussball läuft? Fussball schauen! Das Spiel dauert in der Regel 90 Minuten, aber davor und danach erzählt der Fussball grosse, dramatische, tragische Geschichten. Eine Auswahl an Fussballdokumentationen zur Überbrückung der spielfreien WM-Tage. Was tut man, wenn zur WM-Zeit mal kein Fussball läuft? Fussball schauen! Das Spiel dauert […]

Was tut man, wenn zur WM-Zeit mal kein Fussball läuft? Fussball schauen! Das Spiel dauert in der Regel 90 Minuten, aber davor und danach erzählt der Fussball grosse, dramatische, tragische Geschichten. Eine Auswahl an Fussballdokumentationen zur Überbrückung der spielfreien WM-Tage.

Was tut man, wenn zur WM-Zeit mal kein Fussball läuft? Fussball schauen! Das Spiel dauert in der Regel 90 Minuten, aber davor und danach erzählt der Fussball grosse, dramatische, tragische Geschichten, die vor die Kamera müssen. Eine Auswahl an Fussballdokumentationen zur Überbrückung der spielfreien WM-Tage.

1. «Mata Mata»

Hunderte junge Fussballer verlassen jedes Jahr Brasilien auf dem Weg in europäische Ligen, die meisten davon enden wie er: Carlinhos. Er stammt aus ärmsten Verhältnissen und landet mit 18 in Leverkusen – in einer Luxusumgebung, wo der Verein alles für ihn erledigt, bis er den jungen Fussballer nicht mehr benötigt und in tiefere Ligen abschiebt. Carlinhos, alleine und fremd in der deutschen Provinz, will zurück, die Familie rät davon ab: Das Gehalt des Sprösslings finanziert den Aufstieg raus aus der Armut.

Gestrandete und Gescheiterte wie Carlinhos gibt es viele, fünf davon hat der deutsche Dokumentarfilmer Jens Hoffmann (bekannt durch seine Dokumentation zur Porno-Industrie «9to5 – Days in Porn») während drei Jahren begleitet – begabte Spieler mit grossen Hoffnungen, die zum Spielball von Clubs, Beratern und Agenten werden. Ein weiterer hat es während der Dreharbeiten geschafft: Dante, Bayern München, brasilianische Fussballnationalmannschaft. Am Ende einer langen und nicht schmerzfreien Odyssee von der Jugendnationalmannschaft durch europäische Ligen ist er am Ende des Traumes angekommen – als einer von Wenigen. Ein bedrückendes Stück brasilianische Wirklichkeit. Den kompletten Film kann man auf YouTube sehen.

 

2. «The Two Escobars»

Der eine, Pablo, war der reichste und mächtigste Drogenhändler der Welt und führte das berüchtigte Medellin-Kartell mit eiserner Faust. Der andere, Andrés, war in den Neunziger Jahren Fussballspieler, Verteidiger in der kolumbianischen Nationalmannschaft und einer ihrer bedeutendsten Stars. Pablo und Andrés Escobar waren nicht miteinander verwandt, doch ihre Schicksale miteinander verbunden. Pablos Drogengeld hatte Spielern wie Andrés zu einer erfolgreichen Karriere verholfen – bis Andrés Escobar an der Fussball-WM 1994 im Vorrundenspiel gegen die USA ein Eigentor schoss. Kolumbien flog aus dem Turnier, Escobar wurde kurz darauf in einer Bar in Medellin erschossen. «The Two Escobars» ist die gefeierte Dokumentation über fatale Verstrickungen von Profisport, Kriminalität, Gewalt und Politik, die zum tragischen Tod des Kapitäns der kolumbianischen Nationalmannschaft führten.

 

3. «Rebellen am Ball»

Eric Cantona, ehemaliger französischer Nationalspieler und Legende des Manchester United FC, sorgte schon in einer seiner Aktivzeit für Aufsehen neben dem Platz. Nach dem Rücktritt als Fussballer fand Cantona zum Film – als Schauspieler, aber auch als Doku-Moderator. In «Les Rebelles du Foot» präsentiert er fünf Fussballer, die politische Courage zeigten: den ivorischen Star Didier Drogba, der für die Einigung seines vom Bürgerkrieg zerrissenen Landes eintrat; Rachid Mekloufi, der 1958 Frankreich und dessen Nationalteam verliess, um für die Auswahl der algerischen Unabhängigkeitsbewegung FLN zu stürmen – vier Jahre, bevor die frühere Kolonie von Frankreich unabhängig wurde; der Chilene Carlos Caszely, der dem Diktator Pinochet nach einer erfolgreichen WM-Qualifikation den Handschlag verweigerte; Predrag Pašic, der im zerbombten Sarajevo der Neunzigerjahre eine multiethnische Fussballschule gründete; und schliesslich der grosse Sócrates, Kapitän der brasilianischen Jahrhundertelf von 1982, Mitglied einer demokratischen Bürgerrechtsbewegung zur Zeit der Militärdiktatur. Fünf zeitgeschichtliche Beispiele wider das Klischee vom ignoranten Fussballer. Hier gibts den ganzen Film in deutscher Synchronisation.

 

4. «The Forbidden Team»

Die einen stammen von den Höhen des Himalaja, die anderen vom Polarkreis. Anerkannte Nationalmannschaften haben sie beide nicht, aber im Sommer 2000 trafen sie sich zu einem Länderspiel in Dänemark: Tibet und Grönland. Beide Mannschaften sind keine Mitglieder des Weltfussballverbandes: Tibet aufgrund seiner speziellen Situation als formal autonome Region Chinas, und der Gegner, weil es in Grönland ausschliesslich Kunstrasenplätze gibt. Die chinesischen Behörden wie auch die Fifa versuchten das von hoher politischer Symbolik getragene Spiel zu verhindern. Die tibetischen Spieler, die fast alle im indischen Exil lebten, fanden dennoch den Weg nach Dänemark. Der Film begleitet die «verbotene Mannschaft» von ihren ersten Trainingseinheiten im indischen Dharamsala bis zum Spiel in Kopenhagen – und fängt den Stolz der Spieler ein, beim ersten Fussballspiel dabei zu sein, an dem tibetische Flaggen wehen. Verloren ging einzig das Spiel, Grönland gewann 4:1.

 

5. «Maradona by Kusturica»

Auf dem Platz genial, privat umstritten, in seiner Heimat wie ein Heiliger verehrt: Diego Maradona, der wohl beste Fussballer der Neuzeit, der seine Karriere in der argentinischen Nationalelf wegen einer lebenslangen Dopingsperre abbrechen musste. Der serbische Regisseur Emir Kusturica, selbst ein kontroverser wie konfrontationsfreudiger Zeitgenosse und Bewunderer Maradonas, skizziert in Gesprächen und mit Archivaufnahmen das schillernde Leben des göttlichen «D10S»: Maradonas politisches Engagement, sein Groll auf die USA, seine Bewunderung für Fidel Castro, die Kokainsucht. Unterlegt mit Musik der Sex Pistols gibt es dazu eine Revue seiner schönsten Tore, darunter natürlich die «Hand Gottes» sowie das «Jahrhunderttor» gegen England an der WM 1986. 1982 führten die beiden Länder Krieg um die Falklandinseln, Argentinien verlor – bis San Diego vier Jahre später Rache nahm. So amüsant wie unkritisch.


 

6. «Anpfiff in Kurdistan»

An die Fussball-WM schaffen es nur 32 Länder, und manchen ist gar der Zutritt zur Qualifikation verwehrt: nicht anerkannten Staaten, autonomen Regionen, Völkern ohne Staat. Einige davon haben sich im Nouvelle Fédération Board zusammengeschlossen und veranstalten seit 2006 den alternativen Viva World Cup. Die letzte Austragung fand 2012 in der Autonomen Region Kurdistan im Nordirak statt, auf den Weg gemacht hat sich auch die Graubündner Auswahl FA Raetia. Die Dokumentarfilmer Nicole Bruhin und Simon Keller haben die Bündner Kicker (und ihren Präsidenten, den Schweizer Rapper Gimma) in den Nordirak begleitet – und ihren Sieg gegen eine tamilische Auswahl und die Niederlage gegen Sansibar festgehalten, womit das Turnier wegen des schlechten Torverhältnis für die Bündner bereits wieder vorbei war. Ein irrwitzig chaotischer Trip unter der Sonne Kurdistans.

 

7. «Zidane – A 21st Century Portrait»


Dieser Film ist während eines einzigen Fussballspiels entstanden. Nicht an einem Finalspiel der WM oder der Champions League, sondern an einem gewöhnliches Ligaspiel. Tore, Resultate, Statistiken – unwichtig. 17 Kameras haben während fast 90 Minuten nur ihn im Blick gehabt: Zizou. Das Porträt ist eine Hommage an die Eleganz des Spiels, an die Laufwege des französischen Strategen, und an die Einsamkeit des Genies auf den Platz. Kaum Worte, keine Story, kein Spektakel. Nichts als eine Bewegungsstudie von einem der Grössten, festgehalten in atemberaubenden Bildern und unterlegt von der meditativen Musik der schottischen Post-Rocker Mogwai. Und, bedenkt man den späteren legendären Abgang von Zidane, mit einem prophetischen Ende.

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