7 Lieder für den Soundtrack zum Jahr

Zu welchen Liedern fuhren wir heuer fröhlich pfeifend zur Arbeit, und zu welchen Tracks wetzten wir nachts das Tanzparkett ab? Die Kulturredaktion hat Hunderte Songs gefiltert und sich wie immer in diesem Blog auf sieben beschränkt. Hier ist er, unser Soundtrack zum Jahr.  Zu welchen Liedern fuhren wir heuer fröhlich pfeifend zur Arbeit, und zu welchen Tracks wetzten […]

Schläfrige Sinnlichkeit: Die 25-jährige Lana Del Rey.

Zu welchen Liedern fuhren wir heuer fröhlich pfeifend zur Arbeit, und zu welchen Tracks wetzten wir nachts das Tanzparkett ab? Die Kulturredaktion hat Hunderte Songs gefiltert und sich wie immer in diesem Blog auf sieben beschränkt. Hier ist er, unser Soundtrack zum Jahr. 

Zu welchen Liedern fuhren wir heuer fröhlich pfeifend zur Arbeit, und zu welchen Tracks wetzten wir nachts das Tanzparkett ab? Die Kulturredaktion hat Hunderte Songs gefiltert und sich wie immer in diesem Blog auf sieben beschränkt. Hier ist er, unser Soundtrack zum Jahr, das war.

1. Adele: «Rolling in the Deep»

Als Adele 2008 mit ihrem Debüt «19» die Charts stürmte, hagelte es unschmeichelhafte Vergleiche: Sie war die adrettere Amy, die dickere Duffy. Dabei ist Adele vor allem eines: eine äusserst talentierte Songwriterin alter Schule, mit einer rauchigen Ausnahmeröhre – und: ein rebellisches Raubein, «eine hysterische, nervöse, britische Irre» (Adele über Adele). Statt sich deshalb aber abzuschiessen oder auszuziehen, brachte Adele 2011 «21» heraus – das bisher meistverkaufte britische Album des 21. Jahrhunderts – und reifte mit der sensationellen Single «Rolling in the Deep» zum selbstbewussten Superstar. Sechs Grammy-Nominationen später weiss die Musikwelt: Adele ist zum Glück keine Duffy und wird hoffentlich nie zur Amy. Adele ist Adele – und das ist gut so.

2. Jay-Z & Kanye West: «Otis» (feat. Otis Redding)

Es war kein gutes Jahr für den Hip-Hop. Ja, böse Zungen lassen sogar kein gutes Haar am diesjährigen Hip-Hop: In den Charts dominierte sogenannter «Ringtone Rap» à la Rihanna oder Pitbull, billig zusammengeschusterter Hookline-Kitsch, untermalt von stampfendem Eurodance. Neue Namen blieben aus, neue Impulse auch. Beruhigend, dass sich angesichts dieser düsteren Lage wenigstens die zwei ehemaligen Intimfeinde Jay-Z und Kanye West aus ihrem Bling-Bling-Olymp herabliessen und zur Elefantenhochzeit entschlossen. Man muss kein Rap-Kenner sein, um zu erahnen, dass es sich hierbei eher um eine Vernunftehe als eine Liebesheirat handelte. Dennoch stellte das geballte Know-How von «Watch the Throne», dem prunkvoll produzierten Produkt der beiden Riesen, alle anderen Album-Releases im Urban-Bereich in den Schatten. Schon praktisch, wenn man das nötige Kleingeld hat, um sich die Sample-Rechte an Soulgöttern wie Otis Redding zu sichern.

3. Benoit & Sergio: «Walk and Talk»

Benoit & Sergio sind keine DJs. Ja, Benoit & Sergio machen im engeren Sinne nicht einmal Club-Musik. Dass das Duo aus D.C., das bis zum Januar kein Mensch kannte, trotzdem aus dem amerikanischen Untergrund emporstieg und bereits mit dem ersten Release die Dancefloors des Globus eroberte, liegt einerseits an ihren Mentoren: Nämlich an der Detroiter Tech-House-Supergroup Visionquest, die für das Debüt ihres mit Spannung erwarteten, gleichnamigen Labels auf die beiden Jungs setzte. Andererseits aber an der Zauberformel von «Walk and Talk»: Ein verstört für sich hin schleppender, gleichzeitig unglaublich bouncender Loop, über dem Sergio in entrücktem Sprechgesang über seine Freundin klagt, die sich den ganzen Tag vor dem TV mit der Modedroge Ketamin zudröhne, so sehr, dass sie ihm nicht mal mehr «Hallo» sagen könne. Der Abgesang auf die Hipster-Szene, der klingt als träfe Ricardo Villalobos auf die Talking Heads: Ein Zukunftsversprechen für jene Spielart des «Underground Pop», die 2012 mutmasslich auch im Mainstream salonfähig wird.

4. Who Made Who: «Every Minute Alone» (Tale of Us Remix) 

2011 war das Jahr der genreübergreifenden Kollaborationen. Doch während die meisten dieser «Rock/R’n’B meets Dance»-Zwitter nur einen Zweck erfüllten – das Portemonnaie der Produzenten zu füllen – gab es abseits vom Guetta-Ghetto auch einige mehr als geglückte Kooperationen. Bestes Beispiel dafür ist die Kopenhagener Combo WhoMadeWho, die schon früher stets mit einem Fuss auf der Tanzfläche mitwippte. Ihr brachialer Elektro-Rock passte bestens zu den episch-euphorischen Disco-Neuinterpretationen des italienischen Newcomer-Duos «Tale of Us»: Gemeinsam wurde aus dem angsteinflössenden «Every Minute Alone» ein mark- und boxenerschütternder Kracher, der gut und gerne als 2.0-Variante eines psychedelischen «Doors»-Horrortrips durchgeht.

5. Lana del Rey: «Video Games»

«Retromania» nannte «Guardian»-Schreiber Simon Reynolds in seinem neuen Werk gleichen Namens die grassierende Retro-Nostalgie – oder -Hysterie. Bestes Beispiel dafür ist der Aufstieg von Lana del Rey in diesem Herbst: Die 25-jährige Amerikanerin, die sowohl den Künstlernamen als auch ihre glamouröse Pin-Up-Aufmachung alten Filmdiven entlehnt hat, scheint mit ihrer somnambulen Sinnlichkeit einem David-Lynch-Klassiker wie «Blue Velvet» oder «Mulholland Drive» entstiegen zu sein. Dank der Vintage-Optik ihres «Video Games»-Videoclips könnte man Lana del Rey sogar als ersten, internationalen «Hipstamatic»-Star bezeichnen: Denn obwohl ihr Erfolg zumindest teilweise neusten Viral-Technologien und Stimm- bzw. Bildbearbeitung zu verdanken ist, wecken Lieder und Videos von Lana del Rey den Eindruck, dass hier jemand aus dem Jenseits zu uns singt– als wäre die virtuelle Virtuosin eine längst verstorbene Vierziger-Ikone, von der nur noch verblichene Aufnahmen existieren.

6. Foster The People: «Pumped Up Kicks»

 

Wenn wirs schon von Retro-Charme haben: Dieses Lied hier versprüht noch immer sanfte Sommerstimmung, obschon sich der Sommer längst mit den Zugvögeln verabschiedet hat. Da, wo Foster The People herkommen, scheint eben immer die Sonne: Los Angeles. Kalifornien, also ein bisschen Beach Boys und ein Mü «Summer Of Love», hallt in ihren prächtigen Refrainchören wunderbar nach. Da könnte man glatt überhören, dass der Text alles andere als eine fröhliche Botschaft vermittelt: Bandleader Mark Foster skizziert darin, wie ein isolierter Jugendlicher durchdreht und mit Vaters Waffe einen Amoklauf plant. «Man kann den Text als eine Art «Fuck You» an die Adresse der Hipster verstehen. Zugleich ist es aber auch ein Song, zu dem die Hipster tanzen möchten», sagte der Songwriter dem «Rolling Stone». Man möchte noch hinzufügen, dass er auch älteren Semestern überaus wohlig in Gehör und Beine fährt. Dass die Botschaft dunkler Art ist, kann man verdrängen. Wie elegant Foster The People ein finsteres Thema in ein helles Sommerlied verpackt haben, allein dafür gebührt den Newcomern grossen Respekt.

7. Elbow: «Lippy Kids»

Auch ein Jahr nachdem dieser Song in einer Liveversion als Vorbote zum neuen Elbow-Album im Netz aufgetaucht ist, bringt er mich in Wallung. Dieses monotone, leicht gespenstische Piano, über dem sich der ganze Song entfaltet. Dieses gehauchte Pfeifen. Diese scheinbar schwerelose Melodie, die einen regelrecht umhüllt. Und dann dieses mit Inbrunst gesungene «Build a rocket boys» zu Beginn des Refrains. Es durchzuckt einen der Tatendrang, irgendwas Grosses zu erschaffen. Etwas ganz Grosses, das trotzdem neben diesem perfekten Popsong wie eine Zwergentat aussehen würde. (dba)

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