7 Musikereignisse des Jahres

Unvergessliche Songs von Psy oder Lykke Li, fantastische Konzerte von Kraftwerk und Radiohead und Techno im Longplayer-Format: Wir erinnern an 7 Musikereignisse des Jahres 2012. 1. Psy: «Gangnam Style» Der neuste Rekord ist erst wenige Tage alt: «Gangnam Style» hat auf Youtube die magische Marke von einer Milliarde Klicks erreicht. Seit das Lied im Sommer […]

Ironie trifft auf Mainstream: Der koreanische Sänger Psy bricht mit «Gangnam Style» Rekorde, täglich schauen sich Millionen den Videoclip an.

Unvergessliche Songs von Psy oder Lykke Li, fantastische Konzerte von Kraftwerk und Radiohead und Techno im Longplayer-Format: Wir erinnern an 7 Musikereignisse des Jahres 2012.

1. Psy: «Gangnam Style»

Der neuste Rekord ist erst wenige Tage alt: «Gangnam Style» hat auf Youtube die magische Marke von einer Milliarde Klicks erreicht. Seit das Lied im Sommer 2012 im Internet auftauchte, sehen sich täglich Millionen Menschen auf der Welt den Videoclip zu diesem trashigen Pop (der an Technotronics 90er-Hit «Pump Up The Jam» erinnert) an. Der 34-jährige Sänger Psy parodiert darin das Leben im schicken Gangnam, einem Viertel in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul. Und präsentiert uns einen Tanz, der um die Welt ging. Die Popularität dieses Musik-Phänomens 2012 manifestiert sich allein in den zahllosen Parodien. Ein Mashup mit dem Wham!-Hit «Last Christmas» macht derzeit die Runde, zuvor schon wurden Covers (etwa mit einem Obama-Imitator) ins Netz gestellt.

2. Black Tiger: «1 City 1 Song»

Wer hätte das gedacht? Der Tiger wollte es nochmals wissen – und alle halfen mit. 147 regionale Rapper beteiligten sich im Oktober 2012 am 83-minütigen Monstertrack (gratis Download hier) und bewiesen damit, dass Basler Rap – 20 Jahre nachdem Black Tiger ihn mit «Murder by Dialect» lanciert hatte – alles andere als vorbei ist. Die erstaunlich hohe Qualität des ausschliesslich von hiesigen Grössen und Newcomern produzierten und realiserten Mixtapes liess übrigens nicht nur in Basel aufhorchen: DRS3 sorgte mit der schweizweiten Erstausstrahlung für einmal wieder für musikalisch relevante Schlagzeilen – und verzichtete für die Premiere des Projekts ausnahmsweise sogar mal auf die heiligen 9-Uhr-Nachrichten.


3. Radiohead/Kraftwerk live

Zwei Klassiker kamen in die Schweiz, spielten, sangen und übertrafen gar noch die hohen Erwartungen: Kraftwerk am Zurich Open Air, Radiohead im Steinbruch von St-Triphon. Beide Veranstaltungen wiesen organisatorische Mängel auf. Die Konzerte aber waren umwerfend. Die Klangschichten, die Radiohead im Studio zusammenführen, entfalteten live noch eine grössere Sogwirkung, ihre Lieder erzeugten hypnotische Wirkung (von «There There» bis «Everything In Its Right Place») und eine räumliche Tiefe, die wunderbar mit dem Bühnenbild korrespondierte. Während Radiohead ihre Musik mit mobilen Panels um eine Dimensionalität erweiterten, faszinierten Kraftwerk mit ihren 3D-Visuals und führten eindrücklich vor Augen, wie sich ihre einst visionäre Musik in die Gegenwart transportieren lässt. Zwei audiovisuelle Bewusstseinserweiterungen, die uns in diesem Jahr glücklich gemacht haben.

4. Lykke Li und Triggerfinger: «I Follow Rivers»

Es gab diesen irritierenden Moment, als auf einmal zwei Versionen dieses Lieds am Radio gespielt wurden und manch einer nicht mehr wusste, was denn jetzt das Original und was die Kopie ist. Zur Entwirrung sei hier festgehalten: Die schwedische Sängerin Lykke Li veröffentlichte «I Follow Rivers» auf ihrem letztjährigen Album «Wounded Rhymes», die herrlich produzierte Single aber wurde erst in diesem Jahr auch hierzulande zum Hit. Im Frühjahr nahm die belgische Band Triggerfinger eine akustische Coverversion auf, die den Ohrwurm quasi verlängerte. Was in Österreich zur kuriosen Situation führte, dass zuerst das Cover und dann das Original ganz oben in der Hitparade auftauchte. Trotz dieser Ballung ist uns diese Popnummer bis heute nicht verleidetwas für die Qualität des Songs spricht.


5. – Todd Terje – Inspector Norse

Todd Terje ist in der elektronischen Szene nun wahrlich nicht mehr ein unbeschriebenes Blatt – im Gegenteil: Bereits die letzten Jahre landete der Norweger in den Jahresbestenlisten jeweils ganz oben, sei es mit Eigenkompositionen wie «Ragysh» oder seinem kongenialen Remixalbum «Remaster of the Universe». Doch 2012 gelang es dem sympathischen Osloer mit dem unheilbaren Discofieber, seine bisherigen Erfolge scheinbar mit Leichtigkeit in den Schatten zu stellen. Und zwar mit einem Lied, von dem wohl trotz aller grassierenden «Retromania» wirklich niemand geglaubt hätte, dass es von Terje selber stammt – denn viel eher klingt «Inspector Norse» wie die Titelmelodie zu einer der Lieblingsserien unserer Kindheit. Und genauso sehr schliesst man diesen verspielten, kuscheligen Gummiball von einem Song sofort und für immer ins Herz. Und hofft, dass es der baldige internationale Star-Produzent auch in Zukunft schafft, Basel in intimem Ambiente zum Ausrasten zu bringen, wie diesen Sommer während des Stadtmusik-Festivals in der «Lady Bar». 

6.  – John Talabot – fIN

Scheinbar aus dem Nichts tauchte vor drei Jahren der Name John Talabot am Firmament der Genres Disco, Deep House und Cosmic auf – und kein Mensch wusste, wer sich hinter dem Pseudonym verbarg. Doch dieser Talabot schrieb so hinreissend gute, grossartige, vor Emotionen überbordende Pop-Songs wie «Sunshine», so dass sich bald die halbe Welt auf den Fersen des ehemaligen Tech-House-DJ aus Barcelona befand, welcher der Legende nach durch einen kaputten Verstärker im Plattenladen seines Vertrauens zu seinem Sound inspiriert wurde. Nachdem Talabot im letzten Jahr bereits die Gräben zwischen NME-lesenden Röhrlijeans-Trägern und Berliner Techno-Jüngern eingerissen hatte, wartete die ganze Blogosphäre gespannt auf das Debütalbum des Spaniers. Und siehe da: Talabot mochte das Versprechen, das seine ersten Singles und Remixes gegeben hatten, mit «fIN» im Januar 2012 mehr als einlösen. «Die ganze Menschheit scheint hier versammelt – und feiert die Tatsache, am Leben zu sein», jubelte etwa der Guardian in einer von unzähligen Fünf-Sterne-Kritiken: Kein Ende also, sondern ein wunderschöner Neuanfang – und ein gutes Omen für den Neubeginn nach dem vermeintlichen Weltuntergang letztes Wochenende.

7. – Voices from the Lake

Ein bisschen scheint es, als wären wir plötzlich wieder in den 70er Jahren gelandet. Damals, als Rock seinen Vorgänger und ewigen Rivalen Pop soweit ausgestochen hatte, dass er sich seine Ziele selber neu setzen musste. Und dies mit einer Reihe ambitionierter klanglicher Experimente tat, die als «Progressive Rock» in die Geschichte einging. Heute ist es Techno, der mit der endgültigen, weltweiten Vormachtsstellung elektronischer Musik (oder «EDM», wie der Überbegriff über die unzähligen Sparten und Stile in den USA geschimpft wird) seine Grenzen selber neu abstecken muss. Und dies erfreulicherweise mehr als gerne tut, blickt man auf die letzten 12 Monate zurück. Man könnte fast sagen, 2012 sei das Jahr, als Techno das Konzeptalbum entdeckte – so experimentierfreudig und innovativ, so dicht und homogen klangen die Landschaften, welche die Vorreiter des Genres auf Langspielplatte pressten.

Da waren zum Beispiel Andy Stotts rabenschwarz vor sich her ratternde «Luxury Problems» (Modern Love), ein Abgesang auf den implodierenden Kapitalismus. Oder Recondites «On Acid», eine Verneigung vor Acid House und dessen klassisch-schrill-schillerndem Klangbild, das genauso einen LSD-Trip beschreiben könnte. Oder Robert Hoods «Nighttime World 3», eine epische Hommage an seine Heimat Detroit – gleichzeitig auch die Heimat des Techno selbst – und ein Alterswerk im besten Sinne. Am meisten in die eigenen Hirnwindungen eingegraben und dabei für fast zen-buddhistische, meditative Momente gesorgt, hat übers Jahr aber – da gehen wir für einmal ganz mit dem englischen Musik-Portal Resident Advisor einig – «Voices from the Lake». Dem italienischen Techno-Papst Donato Dozzy und seinem Studiopartner Neel gelang dabei ein Neuentwurf von Ambient, der seinesgleichen sucht. Reinhören, ein- und abtauchen! 

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