Was tun, wenn die Nächte länger und die Tage kälter werden? Na was wohl.
1. Diese «Brücke» musst du sehen
Sie ist noch immer ein Geheimtipp, diese Serie. Das muss sich ändern. Denn «Die Brücke» ist ein wahres Meisterwerk skandinavischer Serienkultur, das jeder Krimifan gesehen haben sollte. Nur jene zarten Gemüter, die nichts mit unzimperlichen Darstellungen von Tatorten anfangen können, lassen es lieber bleiben.
Im Zentrum dieser Serie: Die sozial unterkühlte, am Asperger-Syndrom leidende Kommissarin Saga Noren. Eine brillante Einzelgängerin aus Schweden, die unverhofft mit einem dänischen Kollegen kooperieren muss, nachdem eine Frauenleiche auf der Öresundbrücke entdeckt worden ist: Genau dort, wo die Landesgrenzen verlaufen, wo Kopenhagen aufhört und Malmö anfängt, quasi.
Nach dem furiosen Auftakt und einer vergleichsweise enttäuschenden zweiten Staffel haben die Skandinavier nun wieder zu wahrer Grösse zurückgefunden. Denn die in unserem Sprachraum kürzlich veröffentlichte dritte Staffel begeistert mit ihrer Mischung aus Psychothriller und Persönlichkeitsstudien.
Die Idee der grenzüberschreitenden Kooperation – mit all ihren Fallstricken – ist so gut, dass sie von den Amerikanern übernommen und adaptiert worden ist. «The Bridge» spielt am Grenzübergang zu Mexiko. Wir empfehlen aber das vorzügliche skandinavische Original.
Zu sehen u. a. bei: Netflix.
2. James Bond kann einpacken: «The Night Manager»
Jaja, Tom Hiddleston ist in letzter Zeit vor allem durch seine Liaison mit dem rund hundert Jahre jüngeren Popsternchen Taylor Swift (das konnte ja nicht gut gehen) aufgefallen. Hiddleston hat aber noch weit mehr zu bieten als Sugardaddy-Klatsch – zum einen seinen letzten Film «Highrise», eine ganz gelungene Verfilmung des gleichnamigen Sci-Fi-Klassikers.
Zum anderen eine Serie, die hierzulande weit weniger Aufmerksamkeit bekam, als sie verdient hat: «The Night Manager», eine hochkarätige Thriller-Mini-Serie (sprich abgeschlossene Handlung, acht Folgen à 45 Minuten), die sich einem sofort in Herz und Adern katapultiert. Ersteres weil Hiddleston wirklich unfassbar unwiderstehlich ist (für Frauenfans: die weibliche Hauptrolle Elizabeth Debicki ist es auch), zweiteres weil Hugh Laurie wirklich unfassbar unheimlich ist:
Richtig gelesen: Hugh Laurie alias Dr. House spielt hier den Bösewicht, einen britischen Waffenhändler, der auf internationalem Niveau Drogen und Waffen vertickert. Hiddleston derweil einen Nachtwächter, der sich in seine Kreise schleicht. Klingt simpel, ist aber ein grossartig verzwickter Thriller, gegen den kein James Bond der letzten Jahre ankommt (okay, doch: «Skyfall»). Kein Wunder wird Hiddleston bereits als der nächste James Bond gehandelt.
Zu sehen u. a. auf: DVD und Blu-Ray.
3. Mysteriöse Milieu-Studie: «London Spy»
Diese Serie lässt einen nicht los – und das nicht nur, weil Bondage drin vorkommt. «London Spy» ist beides: mysteriöser Thriller und Milieu-Studie. In dieser britischen Mini-Serie trifft ein einsamer Clubber auf dem Heimweg auf einen Jogger – und es hat Zoom gemacht. Doch die Liebe zwischen den zwei Männern währt nicht lang, denn der Jogger verschwindet spurlos, so spurlos, wie das nur im Spionagemilieu möglich ist. Was folgt, ist ein Fest für Verschwörungstheoretiker und Freunde alter Agentenfilme.
Die Ansiedlung im Schwulenmilieu ist reizvoll, der Plot rätselhaft. Doch vor allem lebt «London Spy» von einer eigentümlichen Atmosphäre und dem grossartigen Schauspiel: Von der Hauptrolle (Ben Whishaw, «Q» in den neuen Bond-Filmen) bis zur Altmeisterin Charlotte Rampling, die in einer Nebenrolle auftritt.
Zu sehen u. a. bei: Netflix.
4. In den Fängen der Mafia: «Gomorrha»
«Gomorrha» weist Parallelen zur amerikanischen Reihe «The Wire» auf. Mit dem Unterschied, dass bei der italienischen Serie der Hauptfokus bei den Kriminellen liegt – und nicht bei der Polizei. Im Zentrum des Geschehens: der Clan des Mafiapaten Pietro Savastano. Dieser kontrolliert den Grossteil des napolitanischen Drogenhandels, hat allerdings mit einem Konkurrenten zu kämpfen, der ihm den Platz an der Sonne streitig machen möchte. Es entfalten sich Machtkämpfe innerhalb der Familie, innerhalb der Stadtteile und der Clans.
Das Setting in den Sozialsiedlungen und Palazzi in und um Neapel ist eindrücklich, der lokale Dialekt eigenwillig – und die Bilder sind kraftvoll. «Gomorrha» ist eine starke europäische Antwort auf die amerikanischen Mafia-Serien. Einzig bedauerlich ist das Sprunghafte, das man vor allem in der Entwicklung des jungen Paten feststellt. Abgesehen davon ist die Serie aber sehr explosiv und exquisit.
Zu sehen u. a. auf: Blu-Ray/DVD.
5. Mässig: «Marseille»
Weniger gepackt hat uns hingegen «Marseille». Auch mit einem Bein in mafiösen Strukturen verfangen, schildert diese französische Serie einen Machtkampf zweier Politiker. In der Hauptrolle: Gérard Depardieu, der bekannte russische Schauspieler. Er spielt den langjährigen Bürgermeister von Marseille, der eine musische Frau, eine moralische Verpflichtung und ein kleines Kokainproblem hat. Gross ist das Problem, das ihm in Form seines Protegés entwachsen ist. Dieser will hinterrücks die politische Macht an sich reissen. «Marseille», die Serie, kommt nicht so recht in die Gänge, wurde in Frankreich verspottet und wirkt tatsächlich wie ein hilfloser Versuch, «House of Cards» ans Mittelmeer zu transportieren.
Zu sehen u. a. bei: Netflix.
6. «The Night of»: Seitenhiebe aufs Justizsystem
Zugegeben, der Ausgangspunkt dieses relativ jungen Streichs aus dem Hause HBO ist nicht gerade neu: Mensch stellt was an, Mensch kann sich nicht erinnern, Mensch wird gejagt, Mensch versucht herauszufinden, was wirklich passiert ist, Mensch gerät ins Fadenkreuz dunkler Machenschaften (rings a bell?).
«The Night of» fängt ähnlich an: Ein junger New Yorker Taxifahrer verbringt eine Nacht mit einem mysteriösen Mädchen und wacht am Morgen in ihrem Blut auf. Alle Indizien sprechen gegen ihn, er trägt die Tatwaffe auf sich, hat den Kopf voller wirrer Erinnerungen und die Blutbahnen voller Amphetamine. Ausserdem ist er Pakistani. Schlechte Voraussetzungen für ihn, gute Voraussetzungen für eine schön gemachte (Scorsese lässt grüssen, nicht nur des Taxifahrers wegen) Mini-Serie, die mit grandiosen Schauspielern und gezielten Seitenhieben aufs willkürliche amerikanische Justizsystem beeindruckt.
Zu sehen u. a. bei: Episodetube.com.
7. Dunkle Abgründe unter Floridas Sonne: «Bloodline»
Wem das Gros unserer Vorschläge zu nordisch ist, der kann sich an kühleren Tagen an der Sonne Floridas wärmen. Dort ist «Bloodline» angesiedelt, eine Netflix-Serie, die einen «Emmy»-Award abgeholt hat. Und zwar für die Leistung von Ben Mendelsohn. Er spielt darin Danny Rayburn, schwarzes Schaf einer angesehenen Familie, der nach vielen Jahren zurückkehrt in diesen abgelegenen, aber touristisch reizvollen Südzipfel der Staaten.
Die erste Staffel dieses Familiendramas hat im vergangenen Jahr für Furore gesorgt, zu Recht, ist «Bloodline» doch mitreissend: Denn hinter Mutters entrücktem Lächeln, den guten Manieren des Polizistensohns oder dem Pflichtbewusstsein der Juristentochter tun sich bei den Rayburns Abgründe auf.
Auch wenn die im Frühjahr veröffentlichte zweite Staffel nicht so zu überzeugen mag: Die erste Staffel sollte man keinesfalls auslassen, weshalb wir diese Serie warm empfehlen können: Allein das güldene Licht Floridas tröstet über die dunkleren Monate hinweg.
Zu sehen u. a. bei: Netflix