70 Jahre «HD-Soldat Läppli»

Am 31. Dezember 1945 wurde «HD-Soldat Läppli» im Theater Küchlin zum ersten Mal aufgeführt. Das Stück von Alfred Rasser hatte riesigen Erfolg und sorgte allerorts für Reaktionen. Zeit, sich daran zu erinnern.

Schweizer Comedy-Legenden Alfred Rasser als HD-Soldat Läppli NO SALES NO ARCHIVES Copyright: SRF/Stamm Film AG Die Veröffentlichung im Zusammenhang mit Hinweisen auf die Programme von Schweizer Radio und Fernsehen ist honorarfrei und muss mit dem Quellenhinweis erfolgen. Jede weitere Verwendung ist honorarpflichtig, insbesondere auch der Wiederverkauf. Das Copyright bleibt bei Media Relations SRF. Wir bitten um Belegexemplare. Bei missbräuchlicher Verwendung behält sich das Schweizer Radio und Fernsehen zivil- und strafrechtliche Schritte vor.

(Bild: SRF/Stamm Film AG)

Am 31. Dezember 1945 wurde der «HD-Soldat Läppli» im Theater Küchlin zum ersten Mal aufgeführt. Das Stück von Alfred Rasser hatte riesigen Erfolg und sorgte allerorts für Reaktionen. Zeit, sich daran zu erinnern.

Als Läppli 1945 auf der Bühne seine Sprüche zum Besten gab, war er dem Publikum schon bekannt. Alfred Rasser war bereits zehn Jahre als professioneller Schauspieler unterwegs und hatte den Läppli 1935 im Kabarett «Resslirytti» gespielt. Den grössten Erfolg hatte die Figur allerdings erst, als Rasser sie mit einem bekannten Stoff vermischte: dem guten Soldaten Švejk von Jaroslav Hašek.

Rasser war in Basel als Sohn eines Elsässers und einer Badenerin aufgewachsen. Er versuchte sich im städtischen Gymnasium, wechselte aber schon bald in die Realschule, schloss sie ab und absolvierte eine Speditionslehre. Der Büro-Arbeitsalltag scheint nicht für den Freigeist gemacht gewesen zu sein.

1928 wurde der 21-jährige Rasser in die Schauspielschule des Konservatoriums Basel aufgenommen. Nebenbei arbeitete er als Buchmacher. Vier Jahre später stand er schliesslich zum ersten Mal im damaligen Theater Küchlin auf der Bühne.

Als 1935 das Kabarett «Resslirytti» gegründet wurde, war Rasser mit von der Partie. Er spielte im ersten Programm den Läppli und landete damit einen grossen Erfolg. Die Kabarett-Schweiz wurde auf Rasser aufmerksam und noch im selben Jahr spielte er für das bekannte und angesehene «Cornichon».

Aus Seppli wird Läppli

Franz Rueb zitiert in seiner Monografie über Alfred Rasser dessen Tagebuch folgendermassen:

«Als ich einmal versuchte, mich in einen Menschen «umzuändern», der geworden ist wie die Kinder, entstand mein Theophil Läppli.»

So entstand der «hilflose, einfältige, naive, unwissende, in seiner Beschränktheit so beneidenswerte und glückliche Läppli, in seiner Güte und Pfiffigkeit», wie ihn sein Schöpfer beschreibt. Der Seppli, den Rasser 1923 erfunden hatte, wurde zum Läppli. Der kleine «Lappi» war eine beliebte Figur und sollte 1945 sein eigenes Programm erhalten.

Der Verleger Kurt Reiss forderte Rasser auf, ein abendfüllendes Läppli-Stück auf der Grundlage eines Weltwerks von Jaroslav Hašek zu schreiben. Hašeks «Osudy dobrého vojáka Švejka za světové války» wurden in den 1920er-Jahren von Grete Reiner als «Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk» ins Deutsche übersetzt. Hans Reimann, Max Brod, Erwin Piscator und Bertold Brecht schrieben deutsche Bühnenfassungen. Rasser brachte den Švejk schliesslich in die Schweiz.

Im Original lehnt sich Švejk gegen Österreich-Ungarn und dessen Armee auf. Er sabotiert und klagt auf ironische Weise den maroden Staat an. Rasser münzte dies auf die Schweiz um, was ihm offenbar schwerfiel:

«Allein schon der Umstand, dass ich die Umgebung einer kriegführenden Armee des Ersten Weltkrieges in diejenige eines neutralen Staates im Zweiten Weltkrieg transponieren musste, brachte mir unüberwindlich scheinende Schwierigkeiten.»

Läppli ist eine eigene Figur geworden, er hat nicht die Tiefe des Originals, ist dafür leichter und lustiger. Als liebenswürdiger Held mit Schnauz und Sprachfehler wurde der Buckter mit Basler Dialekt zum Publikumsmagneten und bewirkte, dass zuerst das Basler Küchlin für Monate und später andere Säle in der Schweiz ausverkauft waren.

Kritik aus dem konservativen Lager

Es gab aber auch Gegner von Läppli, der das stolze Schweizer Militär so kurz nach dem Zweiten Weltkrieg verspottete. Die NZZ versuchte den Erfolg kleinzureden und hielt mit Kritik an den Zuschauern nicht zurück: 

«Es mag Leute geben, die von einer Lächerlichmachung des Schweizersoldaten reden und sich über die Beinahe-Heroisierung des völlig minderwertigen Unteroffiziers aufregen werden, aber das wäre zu viel des Ernstes für diese zerdehnte Bagatelle. […] Es könnte einem fast leid tun für ein Publikum, das nichts dabei zu finden scheint, wenn hier mit dem schweizerischen Waffenkleid offensichtlich Schindluder getrieben wird. Es scheint demnach nicht nur primitives Theater, sondern auch Theater für die Primitiven zu sein.»

In die gleiche Richtung kommentierte die Schweizerische Offiziersgesellschaft, die für Rasser einige Jahre später, als dieser wegen einer Reise ins kommunistische China als Kommunist und Volksfeind verschrieen wurde, auch ein Bühnenverbot forderte und den örtlichen Sektionen empfahl, lokal ein Uniform-Trage-Verbot für Rasser zu erwirken, damit dieser seine blasphemischen Programme nicht spielen könne.

Ganz anders reagierte «Die Weltwoche», die Rassers Kritik an der Armee ernst nahm und daraus eine Forderung nach Armeereformem machte:

«Das Publikum findet offenbar die Karikierung unseres Militärs richtig, genau genommen nicht des Militärs, sondern des militärischen Systems, das sich trotz Atombombe und Partisanenkrieg immer noch nicht zu einer wahrhaft modernen Reform hat aufschwingen können. Der Jubel des Publikums ist eine Demonstration für die Armeereform.»

Mit dem Betreten der Leinwand erreichte «HD-Soldat Läppli» fast 15 Jahre später ein noch grösseres Publikum und wurde vor allem für die Nachwelt konserviert. Bei der Verfilmung handelte es sich 1959 nach Franz Rueb um den grössten «Kassenerfolg», den das noch junge Schweizer Kino bis zu diesem Zeitpunkt erreicht hatte.


Zwar nicht aus «HD-Soldat Läppli», aber dennoch äusserst unterhaltsam: Rasser als «Demokrat Läppli».

Nächster Artikel