In der ganzen Schweiz haben am Mittwochnachmittag während einer Minute die rund 7000 Sirenen im Land geheult. Der Test verlief erfolgreich. Gleichzeitig protestierten Gehörlosenverbände in vier Städten wegen Diskriminierung.
Mit den 5000 stationären und 2200 mobilen Sirenen wird die Bevölkerung im Katastrophenfall alarmiert. 99 Prozent der Sirenen funktionierten einwandfrei, wie Kurt Münger, Sprecher des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz (BABS), der Nachrichtenagentur sda sagte. Nur bei 66 Anlagen wurden Fehler festgestellt.
Noch keine Alternativen
Seit 2015 betreibt das Amt auch eine App, eine Webseite, einen Twitter- und einen Youtube-Kanal, damit sich die Bevölkerung im Katastrophenfall schnell über Schutzmassnahmen informieren könnte.
Denn insbesondere die rund eine Million Menschen mit einer Hörbehinderung im Land würden mit dem traditionellen Sirenenalarm nur ungenügend erreicht, schreibt das BABS. Ende 2017 sei ein Pilotversuch mit einzelnen Kantonen geplant. 2018 solle das System «möglichst flächendeckend in allen Kantonen eingeführt werden».
Gemäss Münger ist die Alamierung über die App und die Webseite heute noch nicht möglich. Denn solche Meldungen entstünden in allen 40 Polizeieinsatzzentralen und diese müssten zuerst noch an das System angeschlossen werden. Auch die Möglichkeit einer Abonnierung von Push-Nachrichten über die Webseite sei geplant und werde voraussichtlich auch realisiert.
Nicht automatisch
Der Nachteil dieser Kanäle ist jedoch nach wie vor, dass sie von den Nutzerinnen und Nutzern aktiv installiert werden müssen, eine automatische Option ist nicht in Sicht. Die Alarmierung per SMS zum Beispiel ist vom Tisch. Anscheinend wäre es im Fall von Grossereignissen nicht möglich, eine so grosse Anzahl von Nachrichten innerhalb kurzer Zeit zu verbreiten.
Auch eine Alarmierung über das sogenannte Cell Broadcast verfolgt das BABS nicht weiter. Dabei würden Nachrichten über Sendemasten an alle empfangsbereiten Geräte geschickt, die sich in Reichweite der Funkzelle befinden. Das Problem ist, dass Smartphones standardmässig nicht so konfiguriert sind, dass sie diese Push-Nachrichten unterstützen.
Geplant ist hingegen, dass ab 2019 der Katastrophen-Alarm auch über viel genutzte Wetter-, Verkehrs- oder News-Apps verbreitet werden könnte, wie Münger sagte. Das BABS sei dazu unter anderem im Gespräch mit MeteoSchweiz. Entschieden sei jedoch noch nichts. Bei all diesen Angeboten handle es sich um Ergänzungen zu den Sirenen und nicht um einen Ersatz.
Gehörlose protestieren
Der Schweizerische Gehörlosenbund (SGB) protestierte mit der Strassenaktion «Alarmtote» in Basel, Bern, Lausanne und Lugano gegen die Verspätung bei der Entwicklung von Alternativen und gegen die Diskriminierung. Nach wie vor riskierten gehörlose Menschen ihr Leben, weil sie vom Sirenenalarm und den Informationen im Radio ausgeschlossen seien.
Seit Jahren schiebe das BABS die Erfüllung der gesetzlichen Richtlinien zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen auf. Die Einführung von alternativen Alarmsystemen sei verschoben und Treffen mit Hörbehinderten-Organisationen abgesagt oder verschoben worden.
Das BABS weist diese Vorwürfe zurück. Sie stünden mit dem SGB in engem Kontakt. Erst am Dienstag habe ein Informationstreffen über die weitere Planung zwischen BABS-Vertretern und der SGB-Geschäftsleitung stattgefunden. Der SGB trage diese Weiterentwicklung mit, sagte Münger.