Aargauer Justiz patzt mehrmals im Fall eines gewalttätigen Mannes

Die stationäre therapeutische Massnahme für einen gewalttätigen Somalier wird nur um zweieinhalb statt drei Jahre verlängert, weil die Aargauer Strafverfolgungs- und Justizbehörden gleich mehrere Fehler gemacht haben. Das Bundesgericht hat das kantonale Urteil aufgehoben.

Die stationäre therapeutische Massnahme für einen gewalttätigen Somalier wird nur um zweieinhalb statt drei Jahre verlängert, weil die Aargauer Strafverfolgungs- und Justizbehörden gleich mehrere Fehler gemacht haben. Das Bundesgericht hat das kantonale Urteil aufgehoben.

Der Lapsus ereignete sich im Fall jenes Mannes, der im Juni 2006 einer Pfadfinderin ein Messer in den Rücken gerammt hatte. Die junge Frau wurde dabei lebensgefährlich verletzt. Das Bezirksgericht Rheinfelden verurteilte den Täter ein Jahr danach wegen versuchter vorsätzlicher Tötung und Drohung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren.

Zusätzlich ordnete das Gericht eine ambulante therapeutische Massnahme an. Im September 2010 wandelte es die ambulante Behandlung in eine stationäre therapeutische Massnahme um. Die Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg beantragte im Frühling 2015 eine Verlängerung der Massnahme um weitere fünf Jahre.

Das Bezirksgericht verlängerte jedoch nur um zweieinhalb Jahre, wogegen die Staatsanwaltschaft Berufung einlegte.

Das Obergericht hiess das Begehren der Staatsanwaltschaft teilweise gut. Es entschied, dass der Somalier ab Zeitpunkt des Urteils für weitere drei Jahre stationär therapiert werden soll.

Frist verpasst

Das Bundesgericht hat die Beschwerde des Verurteilten gegen diesen Entscheid gutgeheissen. Es hält gleich mehrere Verfehlungen der Aargauer Behörden fest.

So hat die Staatsanwaltschaft das falsche Rechtsmittel ergriffen. Sie hätte innerhalb von zehn Tagen eine Beschwerde gegen den Entscheid des Bezirksgerichts einreichen müssen. Stattdessen hat sie Berufung eingelegt, die eine längere Frist hat.

Zum falschen Rechtsmittel gegriffen hat die Staatsanwaltschaft, weil es so in der Rechtsmittelbelehrung des Bezirksgerichts stand. Darauf habe die Staatsanwaltschaft gemäss Bundesgericht jedoch nicht vertrauen dürfen.

Als Fachbehörde hätte sie laut Urteil die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu den zulässigen Rechtsmitteln «kennen und beachten müssen». Nach Inkrafttreten der gesamtschweizerischen Strafprozessordnung im Januar 2011 hatte das Bundesgericht mehrere Urteile zu dieser Frage gefällt.

Die Staatsanwaltschaft habe gemäss Lausanner Richtern nicht mehr vorbehaltlos auf die im Kanton Aargau geübte und davon abweichende Praxis abstellen dürfen. Und die sachlich unzuständige 1. Kammer des Obergerichts hätte auf die verspätete Eingabe der Staatsanwaltschaft von Amtes wegen nicht eintreten dürfen.

Das Bundesgericht hat das entsprechende Urteil aufgehoben. Das Obergericht des Kantons Aargau muss nun nochmals über die Bücher. (Urteil 6B_892/2016 vom 16.09.2016)

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