Der Aargauer Grosse Rat hat am Dienstag mit dem Stichentscheid des Ratspräsidenten Marco Hardmeier (SP) nach emotionaler Debatte ein umstrittenes Kinderbetreuungsgesetz beschlossen. Die Gemeinden müssen ein bedarfsgerechtes Angebot schaffen und sich an den Kosten beteiligen. Das letzte Wort hat das Volk.
Der Stichentscheid des Grossratspräsidenten Hardmeier war notwendig, weil es bei der Schlussabstimmung über das Gesetz mit 68 zu 68 Stimmen zu einem Patt gekommen war.
Da das Gesetz nicht das notwendige Quorum von 71 Stimmen erreichte, wird die Vorlage nun dem Volk zum Entscheid vorgelegt. Der Rat sprach sich zudem auf Antrag der SVP für ein sogenanntes Behördenreferendum aus.
Das beschlossene Kinderbetreuungsgesetz ist ein Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Kinder und Eltern» des Aargauischen Lehrerinnen- und Lehrerverbands (alv).
Gemeinden sind in der Pflicht
Das Kinderbetreuungsgesetz verpflichtet die Gemeinden, den Zugang zu einem bedarfsgerechten Angebot an familienergänzender Betreuung von Kindern bis zum Abschluss der Primarschule sicherzustellen. Die Aufgabe kann in Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden oder Dritten erfüllt werden.
Das beschloss der Grosse Rat mit 68 zu 66 Stimmen. SP, CVP, Grüne, EVP, GLP und BDP setzten sich gegen SVP und FDP durch.
SVP wehrte sich dagegen, dass die Gemeinden verpflichtetet werden, ein Angebot aufzubauen. Die geltende Regelung mit einer Kann-Formulierung reiche aus. Die FDP vertrat den gleichen Standpunkt.
Die CVP erinnerte die FDP daran, dass sich diese vor drei Jahren für eine verbindliche Formulierung eingesetzt habe. Aus der Sicht der CVP braucht es jedoch kein Gesetz mit einer Kann-Formulierung. Notwendig sei ein minimales Gesetz mit verbindlichen Vorgaben.
Es müsse ein Zeichen gesetzt werden für eine Kinderbetreuung auch in den ländlichen Gemeinden, forderte die SP. Eine Kann-Formulierung bringe nichts, machte die EVP klar.
Gemeinden müssen mitbezahlen
Die Gemeinden müssen sich auch an den Kosten für Kinderkrippen und Mittagstische beteiligen. Auch dies beschloss der Grosse Rat mit dem Stichentscheid des Grossratspräsidenten. Das Abstimmungsresultat hatte wie bei der Schlussabstimmung 68 zu 68 Stimmen gelautet.
Damit stiess der Grosse Rat seinen Entscheid aus der ersten Beratung um. Damals hatte das Parlament beschlossen, dass sich die Gemeinden freiwillig an den Kosten beteiligen können.
Das Parlament folgte nun doch dem Antrag des Regierungsrats. Die Wohngemeinde muss sich unabhängig vom Betreuungsort nach Massgabe der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern an den Kosten beteiligen. SVP und FDP wollten eine Kann-Regelung.
Wann die Volksabstimmung über das Kinderbetreuungsgesetz und die Initiative des Lehrerverbands stattfindet, ist noch unklar. Derzeit sammelt die CVP Unterschriften für die Initiative «für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie». Die Sammlungsfrist läuft bis zum 10. April.