Wie ist es, mit gerade mal 23 Jahren ein ganzes Filmteam zu leiten? Samuel Morris weiss die Antwort. Am Dienstagabend ist er mit seinem neusten Kurzfilm «Doug&Walter» im Safe der Mitte zu sehen.
Die Ideen kommen im Regen. Samuel Morris setzt sich dann gern ins Auto, fährt durch die Gegend, Musik eingeschaltet, und lässt die Ideen auf sich eintrommeln. «Ein bisschen kitschig, ich weiss», sagt er und lacht, aber es klingt nicht entschuldigend. Er redet wie jemand, der sich seiner Sache sicher ist, auch bei Tropfen auf der Windschutzscheibe und rührseliger Musik.
Samuel Morris ist 23 Jahre alt, ursprünglich aus Pfeffingen im Baselbiet, trägt eine dunkelbraune Haartolle, Ringe an den Fingern und richtet seinen Blick immer direkt auf die Augen des Gegenübers. Wenn Morris redet, ist er voll da. «100 Prozent Einsatz», würde man sagen, sähe es nach Arbeit aus. Tut es aber nicht. Darum trifft Aufrichtigkeit es besser. Oder Interesse. Aufgewecktheit.
Die braucht er auch, schliesslich arbeitet er in einem Beruf, der einen wachen Geist voraussetzt: Samuel Morris ist Filmemacher. Vor vier Jahren gewann er mit dem Kurzfilm «14» den Basler Filmpreis, zwei Jahre darauf mit «Schritt für Schritt» den ersten Preis an den Schweizer Jugendfilmtagen. Da war er knapp 20 Jahre alt.
Erleuchtung im «Meitschifilm»
Es fing damit an, dass seine Schwester beschloss, ihn in eine Vorstellung von Jean-Pierre Jeunets «Le fabuleux destin d’Amélie Poulain» zu schleppen. «Ich dachte erst, das sei wieder mal so ein lausiger ‹Meitschifilm›.» Morris sitzt in einem Werbebüro in der Basler Burgunderstrasse, wo er als Geldjob Werbevideos für Coop, BKLB und andere Schweizer Kunden dreht. «Doch nach diesem Film kam ich aus dem Kino raus und wusste: Das will ich auch.»
Also ging er an die Arbeit. «Write what you know», hat Hemingway mal gesagt, und so hielt es der junge Morris auch mit dem Filmen: Er suchte Inspiration in seinem Umfeld, fing an mitzufilmen in den Skaterkreisen, in denen er unterwegs war, mit einer Fisheye-Kamera, immer den Bewegungen nach. Als Projektarbeit fürs Gymnasium entstand «14» – ein Kurzfilm über einen 14-jährigen Basler Skater, der mit seiner Mutter in einer kleinen Wohnung in Basel wohnt.
Skaten ist nur der Aufhänger, wirklicher Stoff des Films ist die Lebensphase des jungen Hauptdarstellers. Er sagt Sätze wie: «Ich glaube, ich bin schuld an der Scheidung meiner Eltern.» Oder: «Ich mag am Skaten, dass mir niemand sagt, was ich zu tun habe.» Samuel Morris unterlegte sie mit eindringlicher Musik und schönen Bildern, teils an der Grenze zum Pathos, aber hey, der Filmemacher war damals 16 Jahre alt. Den Basler Filmpreis hatte er sich mehr als verdient.
Es folgten ein Dokfilm über eine alleinerziehende Mutter, zwei Jahre Zivildienst und schliesslich «Doug & Walter», Morris‘ neuster Streich, ein Splatter-Roadmovie über einen tablettensüchtigen US-Amerikaner, Mitte 50, der sich mit seinem ehemaligen Schweizer Arbeitskollegen durch die Landstrassen des Baselbiets ballert. Ziemlich überraschende Kiste nach den beiden Dokumentarfilmen, nicht? Samuel Morris lacht. «Ich hatte Lust darauf, mal was anderes auszuprobieren.» Er stellte das Drehbuch der Zürcher Produktionsfirma Filmgerberei vor, die stieg ein, und es wurden Gelder gesucht, ein Crowdfunding wurde organisiert.
Im Mai 2015 hat Samuel Morris den Dreh durchgezogen: Er stand auf einer Wiese in Aesch und führte Regie bei seinem ersten Kurzspielfilm. Ohne jemals eine einschlägige Ausbildung absolviert zu haben. Gezweifelt an seinem Können habe er dabei immer wieder, das sei ja ganz normal. Morris schaut von seinem Kaffee auf. Sanfter Blick, keine Allüren. Genau das ist es wohl: Er hat kein Interesse daran, sich grösser zu machen, als er ist.
Trotzdem: Gerade mal Anfang 20 und schon ein ganzes Filmteam rumkommandieren? – «Man muss halt wissen, wie man mit Menschen umgeht», sagt Morris. Den Hauptdarsteller von «Doug & Walter» habe er zum Beispiel nach den Szenen jeweils an den Schultern gepackt und ihm gut zugeredet – «er brauchte das». Samuel Morris weiss genau, wo er Zugänge findet.
«So, und jetzt zum Film.» Morris drückt seine selbstgedrehte Zigarette aus und führt in den kleinen Kinosaal, der im Keller an der Burgunderstrasse eingerichtet ist. Goldene Säulen, schwere Samtvorhänge. Der Film passt hervorragend ins üppige Ambiente. Er ist dicht und geistreich, der Hauptdarsteller offensichtlich dem sympathischen «Dude» nachempfunden. Morris nickt: «The Big Lebowski» sei definitiv eine Inspiration gewesen. Vergleiche lassen sich auch zu «Fargo» ziehen oder – wie könnte es bei einem Splatter-Film auch anders sein – zu Quentin Tarantinos Werk. «Naja», der Filmemacher widerspricht vorsichtig und wir sind erleichtert: Soviel Zögerlichkeit darf bei diesem wunderbaren Werdegang doch noch sein.
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PROJEKTOR, Schweizer Kurzfilme, Safe im Unternehmen Mitte, Gerbergasse 30, ab 19:30 Uhr.