Nach landesweiten Demonstrationen gegen die Abschiebung eines 15-jährigen Roma-Mädchens ins Kosovo hat Frankreichs Präsident François Hollande der Schülerin die Rückkehr angeboten. Die 15-Jährige und ihre Familie lehnten am Samstag das Angebot ab.
Die Schülerin hätte nur allein zurückkehren und ihre Schulausbildung fortsetzen können. Die französischen Behörden erklärten die Abschiebung der Familie in das Kosovo unterdessen für rechtmässig. Das Rückkehrangebot gelte allein für Leonarda, betonte Hollande bei einer Ansprache im Elysée-Palast.
Bei der Abschiebung seien «keine Gesetze verletzt» worden, die Rechtsmittel der Familie seien allesamt ausgeschöpft gewesen. Wegen der besonderen Umstände ihrer Abschiebung und der «humanitären Lage» könne Leonarda jedoch ihre Schulausbildung in Frankreich fortsetzen, wenn sie dies wünsche.
Auch die Aufsichtsbehörde der Verwaltung erklärte in einem am Samstag veröffentlichten Bericht, die Abschiebung der Schülerin sei rechtmässig gewesen. Dass Leonarda mitten während eines Schulausflugs aus dem Bus geholt und mitsamt ihrer Familie abgeschoben wurde, zeuge jedoch von einem Mangel an Augenmass der Polizei.
Die Behörde empfahl, künftig jeglichen polizeilichen Zugriff im schulischen Umfeld zu verbieten. Hollande kündigte in seiner Ansprache eine entsprechende Dienstanweisung an alle Präfekturen an.
Der Fall Leonardas sorgt in Frankreich seit Tagen für Empörung: Die seit vier Jahren in Ostfrankreich lebende 15-Jährige war Anfang des Monats auf einem Schulausflug vor den Augen ihrer Mitschüler von Polizisten aus dem Bus geholt und mitsamt ihrer Familie abgeschoben worden, nachdem ihr Asylantrag abgelehnt worden war. Die Kinder der Familie können kein Albanisch, selbst der Vater verliess das Kosovo eigenen Angaben zufolge schon als Kind.
15-Jährige wirft Frankreich «Rassismus» vor
Die in Italien geborene Leonarda wies Hollandes Angebot zurück. «Ich werde nicht allein nach Frankreich gehen, ich werde meine Familie nicht zurücklassen», sagte sie der Nachrichtenagentur AFP. Auch ihre Geschwister seien schulpflichtig. Es sei «Rassismus», ihrer Familie die Rückkehr nach Frankreich zu verweigern.
Ihr 47-jähriger Vater sagte, er werde auf keinen Fall eine Trennung seiner Familie hinnehmen. «Wenn es (die Rückkehr) nicht auf freundliche Weise geht, dann mit Gewalt.» Er kündigte an, «unter allen Umständen» mit seiner Familie nach Frankreich zurückzukehren. Seine Kinder seien in Frankreich integriert, im Kosovo dagegen Fremde.
Sozialisten-Parteichef Harlem Désir sprach sich dafür aus, den Kindern in Anwesenheit ihrer Mutter den Abschluss ihrer Schulausbildung in Frankreich zu erlauben. Er werde mit dem Präsidenten darüber sprechen. Die Organisation Die Stimme der Roma verurteilte Hollandes Angebot als «unmenschlich, unwürdig und illegal».
Wegen des Falls Leonarda waren in den vergangenen Tagen landesweit Schüler auf die Strasse gegangen. Sozialistische Spitzenpolitiker kritisierten das Vorgehen gegen das Mädchen scharf, die Linkspartei forderte den Rücktritt von Innenminister Manuel Valls. Dieser hatte bereits zuvor für Empörung gesorgt, als er den Integrationswillen der meisten in Frankreich lebenden Roma öffentlich anzweifelte.