Seit dem frühen Freitagabend können die Einwohnerinnen und Einwohner von Moutier darüber abstimmen, ob das Städtchen vom Kanton Bern zum Kanton Jura wechselt. Im Abstimmungslokal überwachen drei Beobachter des Bundes den Urnengang.
Punkt 17.00 Uhr öffneten die Sicherheitsbeamten der Gemeinde die Türen des Stimmlokals für die rund ein Dutzend Stimmberechtigten, die bereits darauf warteten, ihre Stimme abzugeben. Weder gab es ein Gedränge noch mussten die Leute Schlange stehen, wie eine sda-Reporterin vor Ort feststellte.
Die Stimmung sei ruhiger als bei anderen Urnengängen, erklärte Gemeindeschreiber Christian Vaquin der Nachrichtenagentur sda. Für die Abstimmung zur emotionalen Frage wurden noch nie dagewesene Massnahmen ergriffen.
Nebst den insgesamt sieben Beobachtern des Bundes, welche bis Sonntag abwechslungsweise den korrekten Ablauf des Urnengangs überwachen, befinden sich Mitglieder der Berner Kantonspolizei, des städtischen Sicherheitsdienstes sowie Mitarbeiter einer privaten Sicherheitsfirma im Abstimmungslokal.
Stimmlokal verlegt
Am frühen Abend versammelten sich in der Altstadt Dutzende von Separatisten zu einem Apéro, der vom Pro-Komitee «Moutier, ville jurassienne», organisiert worden war. Diese wollten sich später zusammen ins Abstimmungslokal begeben, um ihren Stimmzettel in die Urne zu werfen.
Für den Urnengang zur Kantonszugehörigkeit wurde das Stimmlokal vom Rathaus in die Mehrzweckhalle Societ’halle verlegt. Dort können die Stimmberechtigten noch am Samstagmorgen, am Samstagabend und am Sonntag von 10.00 bis 12.00 Uhr ihre Stimme abgeben.
Bis am Freitag konnte auch brieflich abgestimmt werden. Die Rückantwortcouverts mussten jedoch direkt an das Bundesamt für Justiz nach Bern gesandt werden. Von dort werden sie am Sonntag nach Urnenschluss nach Moutier zur Auszählung gebracht.
Beobachter gehen von einem sehr knappen Abstimmungsresultat aus. Möglich ist, dass das eine oder andere Lager eine Abstimmungsbeschwerde einreichen wird. Dies, obwohl niemand wünscht, dass der jahrzehntelange Jurakonflikt vor Gericht entschieden werden muss.
Keine aufschiebende Wirkung haben drei Rekurse, die von probernischen Komitees beim Regierungsstatthalter Berner Jura eingereicht worden sind. Sie betreffen Vorwürfe, wonach Abstimmungscouverts aus Altersheimen mitgenommen wurden, oder wonach auch Verstorbene die Abstimmungsunterlagen erhalten haben sollen.
Jurawappen teilweise übermalt
In den letzten Tagen vor dem Urnengang ist die Anspannung gestiegen. Hüben und drüben mehren sich in den sozialen Netzwerken Vorwürfe, wonach die Gegenseite unlautere Propaganda betreibe. In der Nacht vom Donnerstag auf Freitag übermalten Unbekannte einen Teil des weithin sichtbaren Jurawappens an den Felsen über Moutier.
Am Mittwoch hatten die Stadtbehörden von Moutier und die beiden grossen Abstimmungskomitees die Bevölkerung zu Besonnenheit und Ruhe aufgerufen.
Am Abstimmungssonntag wird die Stadt wortwörtlich eine zweigeteilte sein. Die projurassische Seite schlägt ihr Hauptquartier im Osten des Städtchens auf, die probernische Seite im Westen. Um Provokationen zu vermeiden, sollen sich die beiden Lager möglichst aus dem Weg gehen.
Die politischen Gegner appellierten gemeinsam an das staatsbürgerliche Verantwortungsbewusstsein jedes Einzelnen. Die Integrität von Personen sowie Hab und Gut sei unbedingt zu respektieren.
Bei den Jura-Plebisziten in den 1970-er Jahren war Moutier Schauplatz gewalttätiger Auseinandersetzung zwischen jurassischen Separatisten und Berner Polizeieinheiten.
Internationales Medieninteresse
Der Urnengang zieht nebst den überregionalen Schweizer Medien auch das Interesse von internationalen Medien auf sich. So schickte die französische Tageszeitung «Libération» einen Sonderkorrespondenten nach Moutier. Auch deutsche Medien schickten bereits im Vorfeld Reporter vor Ort.
Da für die Berichterstattung keine Akkreditierung notwendig ist, konnte die Gemeindeverwaltung nicht sagen, wie viele Journalisten am Sonntag in Moutier sein werden.