Am Freitag geht der Schweizer Diplomat Tim Guldimann in Pension. Doch zurückziehen will er sich nicht: Die «Sorge um die Zukunft der Schweiz» treibt ihn in die Politik. Er meint damit das Ja zur Masseneinwanderungsinitiative – und fordert eine neue Abstimmung.
«Ich bin überzeugt, dass wir den Verfassungsartikel 121a gegen die ‚Masseneinwanderung‘ ersetzen müssen», sagt Guldimann im Interview mit dem Tages-Anzeiger und dem Bund vom Freitag. Das müsse aber verfassungsrechtlich korrekt geschehen: mit einer neuen Abstimmung.
«Ich bin strikt dagegen, dass man den Verfassungsartikel belässt, ihn aber im Zuge einer Trickserei gegenüber EU-Bürgern einfach irgendwie nicht anwendet», sagt Guldimann.
Er glaubt nicht, dass die EU bereit ist, gegenüber der Schweiz das Prinzip der Personenfreizügigkeit aufzuweichen. Das bedeute aber nicht, dass man die Forderung von vornherein aufgeben sollte: «Vor Verhandlungen sind die Positionen nie deckungsgleich.»
«Keine Einwanderungsdebatte»
Auch Deutschland habe kein Interesse an solchen Zugeständnissen an die Schweiz, sagt Guldimann – bis zum (heutigen) Freitag Schweizer Botschafter in Berlin: «Deutschland will keine Einwanderungsdebatte im eigenen Land, wie sie Zugeständnisse an die Schweiz sofort provozieren würden.»
Die Abstimmung, für die Guldimann plädiert, soll das Verhältnis zu Europa klären. Er ist zuversichtlich, dass das Stimmvolk sich für die Personenfreizügigkeit und das Verbleiben im Binnenmarkt aussprechen würde. Umfragen zeigten eine gute Mehrheit für die Beibehaltung des bilateralen Wegs, sagt er.
Um die Zuwanderung innerhalb der Personenfreizügigkeit zu beschränken, schlägt er eine Verschärfung der flankierenden Massnahmen vor. Dies um jeden Missbrauch zu verunmöglichen. Ausserdem sei die Schweiz ja frei, die Zuwanderung von ausserhalb Europas einzuschränken, sagt er – gibt aber zu, dass der quantitative Spielraum hier gering ist.
Auf Liste der Zürcher SP
Guldimann will im Herbst auf der Liste der Zürcher SP für den Nationalrat kandidieren. Am Samstag entscheidet die Partei über die Besetzung der Liste. «Ich gehe davon aus, dass ich auf die Liste komme; unklar ist, ob dekorativ oder hoffnungsvoll», sagt Guldimann.
Aus Sorge um die Zukunft der Schweiz wolle er in die Politik, sagt der Diplomat – und erinnert damit an Magdalena Martullo-Blocher und Roger Köppel, die ihre Nationalratskandidaturen für die SVP mit Fehlentwicklungen in der Bundespolitik begründet hatten.