Mit dem Treffer zum 1:1 gegen Rumänien stösst Admir Mehmedi das Tor für die Achtelfinals weit auf. Er macht sich zum ersten Schweizer Torschützen an einer WM- und EM-Endrunde.
Die Szene in der 55. Minute war hart anzusehen: Admir Mehmedi wurde aus dem Offside zurückgepfiffen. Es war ihm bis dahin in der Offensive wenig gelungen. Seine Zeit schien abgelaufen. Am Spielfeldrand stand Breel Embolo bereit, um Mehmedi am linken Flügel zu ersetzen. Mehmedis Gesichtsausdruck war in diesem Moment nicht mehr nur melancholisch. Er war schon fast verzweifelt. Verzweifelt wie die Gefühle der Schweizer, die zwar gut spielten und viele Chancen hatten, aber noch immer 0:1 zurück lagen.
Doch zwei Minuten später wurde im Pariser Parc des Princes eine neue Geschichte geschrieben. Die Geschichte einer Schweizer Mannschaft, die zum 1:1 ausglich. Die dank diesem Treffer die Pforte für die Achtelfinals weit aufstiess. Und das Tor? Es wurde erzielt von Admir Mehmedi. So wurde die Geschichte dieses Spiels auch zur Geschichte von Admir Mehmedi, dem ewigen Wackelkandidaten in der Startformation, der innerhalb von Sekunden vom Zero zum Hero aufstieg. Zum ersten Schweizer Fussballer, der sowohl an einer Weltmeisterschaft wie an einer Europameisterschaft ein Tor erzielte.
Eine Stunde nach dem Spiel war in Mehmedis Gesicht keine Melancholie mehr zu sehen und schon gar keine Verzweiflung mehr. Jetzt war er zu einem Spass aufgelegt. «Es wäre der falsche Entscheid gewesen vom Trainer, wenn er mich ausgewechselt hätte», so Mehmedi mit einem Grinsen. Ohnehin sei er auch schon vor dem Tor mit seiner Leistung zufrieden gewesen. «Ich habe meinen Job von Beginn weg gemacht. Ich arbeite sehr hart für das Team. Nur wer von mir einzig und allein Spektakel erwartet, war enttäuscht.»
Captain Stephan Lichtsteiner gehört offenbar nicht zu denen. «Admir hat sich das Tor verdient. Er hat so viel gerackert für die Mannschaft, schon gegen Albanien war das so gewesen.» Teamkollege Granit Xhaka war begeistert vom Treffer Mehmedis. «Ein solches Tor gelingt nicht jedes Wochenende.» Mit seinem schwächeren linken Fuss hatte Mehmedi nach einem Corner wuchtig in die entfernte hohe Ecke getroffen.
Ob sehenswert oder nicht: Ein Tor in einem Pflichtspiel ist Mehmedi schon lange nicht mehr gelungen. Für seinen Klub Bayer Leverkusen hat er seit dem 24. November 2015 nicht mehr getroffen. Von einer Genugtuung nach einer schwierigen Bundesliga-Saison wollte Mehmedi aber nichts wissen. «So schlecht wie der Eindruck ist, war meine Saison nicht. Ich habe für Leverkusen immerhin 16 Skorerpunkte erzielt. Der Eindruck täuscht etwas, weil ich halt die letzten zwei Monate nicht mehr oft gespielt habe. Zuvor lief es mir gut.»
Ausserdem sei es in Leverkusen nicht so einfach wie im Jahr zuvor in Freiburg. «Wenn man bei Leverkusen eine kleine Schwächephase hat, steht schon der nächste bereit und man hat den Platz verloren.» Mehmedi gibt aber auch zu, dass er sich im Umfeld der Nationalmannschaft besser fühlt als zuvor im Frühling. «Ich habe in den drei Wochen vor der EM sehr gut und hart gearbeitet. Ich bin körperlich nun auf einem viel höheren Niveau als noch im März. Deshalb fühle ich mich auch klarer im Kopf.»
Ziemlich klar ist dank dem Treffer von Mehmedi auch die Ausgangslage für die Schweiz. Ein Punkt im abschliessenden Spiel gegen Gastgeber Frankreich reicht sicher für die Achtelfinals. Dafür brauche es «ein perfektes Spiel», wie Mehmedi sagte. Doch selbst mit einer Niederlage und dem möglichen Abrutschen auf Platz 3 dürfte den Schweizern die Qualifikation für die K.o.-Runde nicht mehr zu nehmen sein. An den drei WM-Endrunden mit dem gleichen Modus (1986, 1990, 1994) gehörte man mit vier Punkten immer zu den vier besten Gruppendritten.