Das Parlament will aggressive Werbung für Kleinkredite verbieten, um insbesondere Jugendliche vor Verschuldung zu schützen. Nach dem Nationalrat hat auch der Ständerat entsprechende Gesetzesänderungen gutgeheissen.
Der Ständerat hat den Änderungen des Konsumkreditgesetzes am Donnerstag mit 24 zu 11 Stimmen bei 5 Enthaltungen zugestimmt. Dabei sprach er sich für strengere Regeln aus als der Nationalrat.
Fest steht bereits, dass das Parlament zunächst auf Selbstregulierung setzt: Welche Werbung als aggressiv gilt, kann die Kreditbranche selbst definieren. Das Gesetz verlangt, dass sie dies in einer Vereinbarung regelt.
Noch uneinig sind sich National- und Ständerat in der Frage, wann der Bundesrat eingreifen und festlegen soll, was unter das Verbot fällt. Nach dem Willen des Nationalrates soll dies nur dann geschehen, wenn in der Kredit-Branche innerhalb angemessener Frist keine Einigung zustande kommt.
Mehr Kompetenzen für den Bundesrat
Der Ständerat will dem Bundesrat darüber hinaus die Kompetenz geben, eine Regelung zu erlassen, wenn er die Vereinbarung der Branche für ungenügend hält. Mit 29 zu 12 Stimmen bei einer Enthaltung sprach er sich für diese Version aus. Wenn die Branche beim Inhalt der Konvention völlig frei sei, könnten die Räte genau so gut auf eine Regulierung verzichten, befand die Mehrheit.
Im Gegensatz zum Nationalrat sagte der Ständerat ausserdem Ja zu Verschärfungen bei Expresskrediten, die rasch zurückgezahlt werden müssen. Auch in der kleinen Kammer war der staatliche Eingriff jedoch umstritten. Ein Teil der bürgerlichen Ratsmitglieder stellte sich gänzlich gegen eine Regulierung.
Junge für voll nehmen
Thomas Hefti (FDP/GL) rief dazu auf, die Jungen für voll zu nehmen. Ansonsten stelle sich die Frage, ob man nicht das Mündigkeitsalter anheben müsste. Mit 18 Jahren könne man nämlich ein Auto lenken, heiraten oder abstimmen. Es sei nicht einzusehen, warum das den jungen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern zugetraut werde, nicht aber das Aufnehmen eines Konsumkredits.
Peter Föhn (SVP/SZ) stellte fest, es sei traurig, wie liederlich sich viele verschuldeten, ob jung oder alt. Aber: «Muss bei jedem Fehlverhalten sofort ein Gesetz gemacht werden?» Die Verantwortung liege bei der Branche und beim Kreditnehmer. Die Branche habe das erkannt und bereits einen Entwurf für eine Konvention vorgelegt. Eine Gesetzesänderung sei unnötig.
Allgemeinheit bezahlt
Die Befürworterinnen und Befürworter der Regulierung widersprachen. Es sei im öffentlichen Interesse, Überschuldung zu verhindern, sagte Justizministerin Simonetta Sommaruga. Wer überschuldet sei, bezahle nämlich als erstes die Steuern und die Krankenkassenprämien nicht mehr.
Später seien die Betroffenen oft auf Sozialhilfe angewiesen. «Die Kosten der Überschuldung bezahlt die Allgemeinheit», stellte Sommaruga fest. Und Werbung spiele durchaus eine Rolle, sonst würde dafür nicht Geld ausgegeben.
Lohnnachweis einfordern
Neben dem Verbot aggressiver Werbung haben die Räte auch Verschärfungen bei der Kreditfähigkeitsprüfung beschlossen. Nach geltendem Recht muss die Kreditfirma einzig bei Zweifeln an der Richtigkeit der Angaben der Konsumenten deren Richtigkeit überprüfen. Neu soll sie generell Unterlagen einfordern können; etwa einen Auszug aus dem Betreibungsregister oder einen Lohnnachweis.
Vom Tisch ist ein gänzliches Verbot von Werbung für Konsumkredite, die speziell Jugendliche und junge Erwachsene anspricht. Nach dem Nationalrat hat sich auch der Ständerat dagegen ausgesprochen.
Keine Formulare auf der Strasse
Die Vorlage geht nun zurück an den Nationalrat. Sie basiert auf einer parlamentarischen Initiative von Josiane Aubert (SP/VD). Es gab in den vergangenen Jahren indes zahlreiche weitere Vorstösse zum Thema, auch Standesinitiativen.
Die Kredit-Branche hat inzwischen einen Entwurf für eine Konvention zur Selbstregulierung vorgelegt. Gemäss diesem will sie künftig beispielsweise auf das Verteilen von Kreditantragstalons auf der Strasse verzichten.
Laut dem Bundesamt für Statistik lebten im Jahr 2008 19 Prozent der jungen Erwachsenen zwischen 18 und 29 Jahren in einem Haushalt, der mindestens einen Konsumkredit aufgenommen hat. Bei den 30- bis 49-Jährigen waren es 18,2 Prozent. In beiden Altersgruppen lebten rund 9 Prozent in einem Haushalt mit einem kritischen Volumen an Kontoüberzügen oder Zahlungsrückständen.