Aggressive Werbung für Kleinkredite soll verboten werden

Aggressive Werbung für Kleinkredite soll verboten werden. Die vom Nationalrat gutgeheissene Gesetzesvorlage soll insbesondere Jugendliche davor schützen, sich zu verschulden.

Jeder fünfte Schweizer lebt mit Schulden (Archiv) (Bild: sda)

Aggressive Werbung für Kleinkredite soll verboten werden. Die vom Nationalrat gutgeheissene Gesetzesvorlage soll insbesondere Jugendliche davor schützen, sich zu verschulden.

Der Nationalrat will aggressive Werbung für Kleinkredite verbieten, um insbesondere Jugendliche vor Verschuldung zu schützen. Er hat am Donnerstag eine entsprechende Gesetzesvorlage gutgeheissen. Was aggressive Werbung ist, legt das Gesetz allerdings nicht fest.

Der Nationalrat setzt auf Selbstregulierung: Die Kredit-Branche soll selbst definieren, was genau verboten ist. Das Gesetz legt lediglich fest, dass für Konsumkredite nicht in aggressiver Weise geworben werden darf.

Stimmt auch der Ständerat zu, muss die Branche in einer Konvention umschreiben, was unzulässig ist. Kommt innerhalb angemessener Frist keine Einigung zustande, legt der Bundesrat fest, was unter das Verbot fällt. Wer gegen die Regeln verstösst, soll mit einer Busse bis zu 100’000 Franken bestraft werden.

Auszug aus Betreibungsregister

Der Nationalrat ist weitgehend den Vorschlägen der Wirtschaftskommission gefolgt und hat auch Verschärfungen bei der Kreditfähigkeitsprüfung beschlossen. Nach geltendem Recht muss die Kreditfirma einzig bei Zweifeln an der Richtigkeit der Angaben der Konsumenten deren Richtigkeit überprüfen.

Neu soll sie generell Unterlagen einfordern können; etwa einen Auszug aus dem Betreibungsregister oder einen Lohnnachweis. Dazu verpflichten wollte der Nationalrat die Kreditfirmen aber nicht, einen entsprechenden Antrag lehnte er ab.

Nein sagte er ausserdem zu Verschärfungen bei Expresskrediten, die rasch zurückgezahlt werden müssen. Die Befürworterinnen und Befürworter argumentierten vergeblich, hier gebe es eine Gesetzeslücke.

SVP und FDP dagegen

Generell gegen neue Regeln stellten sich die SVP und die FDP. Die Branche handle auch ohne Gesetz, argumentierte Hansjörg Walter (SVP/TG). Ein Entwurf für eine Branchenkonvention liege bereits vor. Andrea Caroni (FDP/AR) sprach von einem «unnötigen Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit».

Der FDP-Nationalrat gab zu bedenken, dass Jugendliche gemäss Statistiken kein besonderes Verschuldungsrisiko hätten. Ausserdem seien die Regeln für die Kreditvergabe schon heute streng. Wenn schon, sollte man bei der Bildung ansetzen. Viele, die sich verschuldeten, unterschätzten nämlich den Zinseszins-Effekt. Im Zentrum stehe die Eigenverantwortung der Kreditnehmer.

Flat-TV und Himmelbett

Für die Regulierung sprachen sich CVP, BDP, Grünliberale sowie SP und Grüne aus. «Wir leben in einer verlockenden Konsumwelt», stellte Prisca Birrer-Heimo (SP/LU) fest. «Reicht’s für einen Flat-TV und ein Himmelbett?», frage ein Kreditunternehmen auf einem Werbeplakat. Die Antwort: Mit einem Kredit gebe es für alles eine Lösung.

Ein Fünftel der Schweizer Bevölkerung lebe mit Schulden, gab die Konsumentenschützerin zu bedenken. Konsumkredite spielten dabei eine grosse Rolle. Das Gesetz sei eine Light-Version, es beinhalte kein generelles Verbot.

Liberale Lösung

Hansjörg Hassler (BDP/GR) stellte fest, das Ausmass der Verschuldung habe eine kritische Grenze erreicht. Natürlich könne man immer an die Eigenverantwortung appellieren, aber Aufgabe der Politik sei es auch, offensichtliche Missstände zu bekämpfen.

Thomas Maier (GLP/ZH) betonte, dem Rat liege eine «echt liberale Lösung» vor, statt des ursprünglich geplanten radikalen Verbots. Umso unverständlicher sei es, dass die liberalen Partner diesen Königsweg nicht beschreiten wollten.

Gesellschaft bezahlt

Für die Regulierung sprach sich auch Justizministerin Simonetta Sommaruga aus. Die Gesellschaft zahle bei Überschuldung nicht nur die sozialen Kosten, sondern auch die finanziellen, gab sie zu bedenken. Wer überschuldet sei, zahle nämlich als erstes die Krankenkassen und die Steuern nicht mehr. Manche seien am Ende auf Sozialhilfe angewiesen.

Der Nationalrat hiess die Vorlage, die auf eine parlamentarische Initiative von Josiane Aubert (SP/VD) zurückgeht, mit 123 zu 58 Stimmen bei 3 Enthaltungen gut. Nun ist der Ständerat am Zug.

Gemäss dem Bundesamt für Statistik lebten im Jahr 2008 19 Prozent der jungen Erwachsenen zwischen 18 und 29 Jahren in einem Haushalt, der mindestens einen Konsumkredit aufgenommen hat. Bei den 30- bis 49-Jährigen waren es 18,2 Prozent. In beiden Altersgruppen lebten rund 9 Prozent in einem Haushalt mit einem kritischen Volumen an Kontoüberzügen oder Zahlungsrückständen.

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