Die AKW-Stilllegungs- und Entsorgungsfonds sind zu wenig stark dotiert. Zudem haben die Betreiber der Atomkraftwerke einen zu grossen Einfluss darauf. Zu diesen Schlüssen kommt die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) in einem Bericht.
Die EFK schlägt deshalb die Schaffung einer unabhängigen öffentlichen Einrichtung vor. Die vom Bundesrat im Juni beschlossene Revision der Stilllegungs- und Entsorgungsfondsverordnung (SEFV) werde zwar ab dem 1. Januar 2015 merkliche Verbesserungen in der Frage der finanziellen Mittel bringen, schreibt die EFK in ihrem am Mittwoch veröffentlichten Bericht. Die Beiträge der AKW-Betreiber seien allerdings auf der Basis eines idealen Szenarios berechnet.
Risiken wie Rechtsunsicherheit oder Kostensteigerungen seien in den bisherigen Berechnung noch nicht berücksichtigt worden. Die EFK schlägt dem Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) in ihrem Bericht deshalb vor, neue Kostenstudien mit verschiedenen Szenarien zu rechnen.
Bund müsste einspringen
Der Fonds für die Stilllegung von Nuklearanlagen enthielt Ende 2013 Mittel in Höhe von rund 1,7 Milliarden Franken. Nach den Schätzungen einer vom Bund in Auftrag gegebenen und 2011 veröffentlichten Kostenstudie sind aber rund 2,9 Milliarden erforderlich.
Im Fonds für die Entsorgung der Nuklearabfälle werden gemäss derselben Studie für die Kosten ab Ausserbetriebnahme rund 8,4 Milliarden benötigt. Verfügbar sind heute erst 3,6 Milliarden Franken. Kämen die AKW-Betreiber ihren finanziellen Verpflichtungen bei beiden Fonds nicht nach, laufe der Bund Gefahr, die fehlenden Mittel bereitstellen zu müssen, stellt die EFK fest.
Zu viel Einfluss der AKW-Betreiber
Auch bei der Verwaltung der Fonds schlägt die EFK Änderungen vor. Sie ist der Meinung, dass die AKW-Vertreter in der Kommission und anderen Organen der Fonds zu viel Einfluss haben. Dieses Ungleichgewicht kann nach Ansicht der EFK durch die Überführung der beiden Fonds in eine rechtlich selbständige und von unabhängigen Vertretern geführte öffentliche Einrichtung behoben werden.
Zudem empfiehlt die EFK dem UVEK, die Zuständigkeiten für den Vollzug und die Aufsicht zwischen den Strukturen der Fonds und den beteiligten Bundesämtern zu entflechten. Das UVEK sehe dies ein und wolle die Entflechtung bei der nächsten Revision der Verordnung berücksichtigen, schreibt die Finanzkontrolle.
ENSI tritt aus Kostenausschuss aus
Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) hat Konsequenzen gezogen und ist Anfang September aus dem Kostenausschuss des Stilllegungs- und Entsorgungsfonds ausgetreten, wie die Atomaufsichtsbehörde am Mittwoch bekanntgab. Als Grund gibt das ENSI seine Kontrollfunktion an.
Das ENSI überprüfe alle fünf Jahre die technischen Aspekte der Kostenstudie für Stilllegung und Entsorgung. Den Auftrag dazu erhalte die Aufsichtsbehörde von der Kommission des Stilllegungs- und Entsorgungsfonds. Das ENSI gehe davon aus, dass es auch künftig das Entsorgungsprogramm der Nagra, die Stilllegungsplanungen der AKW und die technischen Aspekte der Kostenstudien prüfen werde.
Man sei deshalb zum Schluss gekommen, dass eine weitere Einsitznahme im Kostenausschuss nicht angebracht sei, wird Michael Wieser, Leiter des Aufsichtsbereichs Entsorgung beim ENSI, in der Mitteilung zitiert.
AKW-Betreiber mit Schlussfolgerungen nicht einverstanden
Die Betreiber der Atomkraftwerke distanzieren sich in einer Mitteilung vom Mittwoch vom EFK-Prüfbericht. Die zentralen Darstellungen und Schlussfolgerungen und die daraus abgeleiteten Empfehlungen träfen nicht zu, weil sie auf falschen Prämissen beruhten. Das finanzielle Risiko für den Bund sei äusserst gering, schreibt Swisselectric, die Organisation der grossen schweizerischen Stromverbundunternehmen.
Dem Bericht lägen wesentliche sachliche Mängel zugrunde, die zu falschen Darstellungen und Empfehlungen geführt hätten, wird die EFK kritisiert. Die Entsorgung radioaktiver Abfälle sei Aufgabe der Verursacher, nicht des Bundes. Die Betreiber der fünf Schweizer Kernkraftwerke seien sich ihrer Verantwortung bewusst.
Die Beiträge an die Stilllegungs- und Entsorgungskosten würden periodisch den aktuellen Kostenprognosen angepasst, heisst es in der Mitteilung weiter. Zusätzliche Sicherheit biete die Substanz der Betreiberunternehmen und Eigentümer der Schweizer Atomwerke. Die Stilllegungs- und Entsorgungsfonds seien auch nach schwierigen Börsenjahren auf Kurs. Von einer Finanzierungslücke könne nicht die Rede sein.