Mehrere AKW-Betreiber wehren sich gegen höhere Beiträge in den Stilllegungs- und Entsorgungsfonds. Der Bundesrat hatte die entsprechende Verordnung Mitte 2014 geändert – und theoretisch auf Anfang 2015 in Kraft gesetzt.
«Die Verordnung ist nicht rechtskräftig, weil gewisse Betreiber dagegen Beschwerde führen», sagte Energieministerin Doris Leuthard am Donnerstag im Parlament auf eine entsprechende Frage der Berner SP-Nationalrätin Nadine Masshardt. Es werde also eine gerichtliche Beurteilung geben.
Einsprachen beim Bundesverwaltungsgericht reichten die Energieunternehmen Axpo (Beznau), BWK (Mühleberg) sowie die Kernkraftwerk Leibstadt AG und die Zwischenlager AG ein, wie es bei der Axpo-Medienstelle auf Anfrage der sda hiess. Die Beschwerdeführer stören sich daran, dass der Bundesrat den Sicherheitszuschlag um 30 Prozent erhöhte.
Keine Beschwerde erhob die Kernkraftwerk Gösgen AG (KKG). Eine Beschwerde wäre kontraproduktiv, teilte der Konzern Alpiq auf Anfrage mit. Alpiq ist mit 40 Prozent am AKW Gösgen beteiligt. Der pauschale Sicherheitszuschlag von 30 Prozent sei jedoch «sachlich nicht fundiert und zu hoch». Man erwarte, dass im Rahmen der Kostenstudie 2016 eine neue Berechnungsgrundlage eingeführt und der Zuschlag somit hinfällig werde.
Die Betreiber von Atomkraftwerken müssen für die Stilllegung der AKW und die Entsorgung der radioaktiven Abfälle finanzielle Mittel bereitstellen. Der Bundesrat passte im vergangenen Juni die Berechnungsgrundlagen an, weil eine Finanzierungslücke droht.
Für die AKW-Betreiber verdoppelten sich damit die Fonds-Beiträge für die nächsten Jahren. Die Betreiber kritisierten die Verordnungsanpassung bereits im Juni als «unnötig» und «unverhältnismässig».
Die voraussichtliche Höhe der Stilllegungs- und Entsorgungskosten wird alle fünf Jahre berechnet. Ende 2011 lagen 4,3 Milliarden Franken in den beiden Fonds. Kosten wird der Rückbau nach Berechnungen der AKW-Betreiber-Organisation Swissnuclear über 11 Milliarden.
Bilanzmauscheleien-Vorwurf noch nicht aus der Welt
Die beiden AKW Gösgen und Leibstadt kämpfen bezüglich der Stilllegungsreserven derzeit auch noch an einer zweiten Front. Umweltorganisationen hatten die Betreiber der beiden Anlagen in Strafanzeigen bezichtigt, im Zusammenhang mit den Stilllegungs- und Entsorgungskosten Bilanzmauscheleien betrieben zu haben.
Die Untersuchung der Staatsanwaltschaften der Kantone Solothurn und Aargau ergab, dass die Bilanzen korrekt ausgewiesen wurden . Die Verfahren wurden eingestellt. Inzwischen haben die Umweltorganisationen Anzeigen gegen die Revisionsgesellschaften der beiden AKW eingereicht.
Zweite Revision bereits in der Anhörung
Noch bevor die erste Revision der Verordnung rechtskräftig ist, hat das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) am Donnerstag die Anhörung zu einer zweiten Revision eröffnet. Die revidierte Verordnung soll am 1. Januar 2016 in Kraft treten.
Einer der Kernpunkte der zweiten Revision bildet die Auflösung der personellen Verflechtungen zwischen Aufsichtsbehörde und Fondsgremien. Mitarbeitende des UVEK, des Bundesamts für Energie sowie der Nuklearaufsichtsbehörde ENSI sollen nicht mehr als Mitglieder der Kommission, der Ausschüsse oder der Fachgruppen gewählt werden können.
Zudem soll die Aufsicht über die Fonds verstärkt werden. Bundesrat und UVEK sollen griffige Steuerungsinstrumente zur Korrektur von Fehlentwicklungen bei der Führung und Verwaltung der Fonds erhalten.
In einem weiteren Revisionspunkt soll dem UVEK mehr Kompetenzen eingeräumt werden – so bei der Änderung der Anlagerendite, der Teuerungsrate und beim vorerst noch umstrittenen Sicherheitszuschlag.