Zum ersten Mal in diesem Jahr hat Peking wegen enormer Luftverschmutzung die höchste Alarmstufe «Rot» ausgerufen. Damit gelten von Freitagabend bis Mittwoch weitreichende Fahrbeschränkungen, wie die Umweltbehörde in Peking mitteilte.
Einige Fabriken müssen die Produktion herunterfahren oder gar stoppen. Kindergärten und Primarschulen wurden angewiesen, den Unterricht ausfallen zu lassen, damit die Schüler zu Hause bleiben können.
China hat der Luftverschmutzung zwar den Kampf angesagt. Zuletzt mehrten sich aber kritische Stimmen in der Bevölkerung und unter Experten, wonach zu langsam Fortschritte erzielt würden.
Die Hauptstädter sind von den zu langsamen Verbesserungen genervt. Sie vernahmen am Vorabend im Wetterbericht, dass sich die Luftqualität in den kommenden Tagen mal wieder drastisch verschlechtern wird, so sehr, dass Peking erstmals in diesem Jahr nicht nur die «blaue» oder «gelbe», sondern die höchste Smog-Alarmstufe «Rot» verhängt hat.
Dreckluft gibt Tagesrhythmus vor
Tatsächlich kletterten die Messwerte für gefährlichen Feinstaub am Freitag von Stunde zu Stunde in die Höhe und dichte Smog-Schwaden lösten die klare Luft vom Morgen ab. Wieder muss Pekings Bevölkerung ihren Lebensrhythmus nach der dreckigen Luft ausrichten.
So müssen etwa Berufstätige eine Lösung für die Aufsicht ihrer Kinder finden, die nicht zur Schule gehen dürfen. Auch der Weg zur Arbeit wird komplizierter. Jedes zweite Auto ist während des Alarms aus dem Verkehr gezogen, einmal die mit geraden Kennzeichen, am folgenden Tag die ungeraden Ziffern.
Die Fortschritte, die China im Kampf gegen die chronisch schlechte Luft macht, sind durchwachsen. Als die Regierung vor zwei Jahren Reformen verkündete, war selbst Greenpeace zunächst voll des Lobes.
Laut Messungen der Umweltorganisation sei die Konzentration von besonders gefährlichem Feinstaub, der in Abgasen steckt, aber auch durch den Abrieb von Autoreifen verursacht wird, zwischen Januar 2015 und März dieses Jahres um rund 10 Prozent zurückgegangen.
«Vor allem in der Region rund um Peking ist dieser Trend aber schon wieder zum Erliegen gekommen», sagt Liansao Dong von Greenpeace. Viele Fabriken rund um die Stadt würden trotz strenger Auflagen und Verbote noch immer dreckige Abgase in den Himmel blasen. Das Problem: Die Regierung kontrolliere nicht streng genug.
Eigene Grenzwerte
Auch Ma Jun, Direktor des Instituts für Umweltfragen in Peking, sieht nur langsame Fortschritte. «Ob die Luft gut oder schlecht ist, hängt nach wie vor zu sehr vom Wetter ab.» Bei kaltem Nordwind werde die schlechte Luft aus der Stadt geblasen. Komme der Wind aus Süden, wo es mehr Fabriken gibt, steige der Schadstoff-Index in die Höhe.
Hinzu kommt: Die offiziellen Luftwerte sind mit Vorsicht zu geniessen. Laut Regierungsangaben gab es in Peking 2016 bis einschliesslich Oktober 172 Tage gute Luft – elf mehr als im vergangen Jahr.
Laut Ma Jun vom Institut für Umweltfragen gelte die Luft als «gut», wenn der offizielle Luftindex der Regierung unter 100 Punkten liegt. Übersetzt auf den Standard der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist das aber immer noch eine dreimal höhere Belastung, als unbedenklich wäre.
Ma Jun glaubt, dass es mindestens noch fünf Jahre dauern wird, bis Peking die Zeiten von regelmässigen Smog-Alarmen hinter sich gebracht hat. Bis WHO-Standards erreicht sind, würden sogar noch Jahrzehnte vergehen.