Alleinerziehende überdurchschnittlich stark von Armut betroffen

Alleinerziehende Mütter und Väter stossen laut einer neuen Studie oft an ihre Grenzen – physisch, psychisch und finanziell. Das Hilfswerk Caritas schlägt Alarm und fordert die Politik auf, arme Familien mit Ergänzungsleistungen zu unterstützen und Kinder zu fördern.

Bei Alleinerziehenden reicht das Geld häufig nicht für das Notwendigste. Sie müssen in Armut leben. (Bild: sda)

Alleinerziehende Mütter und Väter stossen laut einer neuen Studie oft an ihre Grenzen – physisch, psychisch und finanziell. Das Hilfswerk Caritas schlägt Alarm und fordert die Politik auf, arme Familien mit Ergänzungsleistungen zu unterstützen und Kinder zu fördern.

«Kinder alleine zu erziehen, darf kein Armutsrisiko sein», sagte Bettina Fredrich, Leiterin Sozialpolitik bei Caritas Schweiz, am Freitag vor den Medien in Bern. Heute sei jede sechste alleinerziehende Familie von Armut betroffen – vier Mal mehr als Zweielternfamilien mit zwei Kindern.

Wer heute seine Kinder allein erziehe, werde in verschiedenen Lebensbereichen benachteiligt und sei gleichzeitig überproportional mit belastenden Situationen konfrontiert, sagte Fredrich. So erhielten viele Alleinerziehende zu wenig Alimente und hätten Probleme, Familie und Erwerbsarbeit unter einen Hut zu bringen.

Die Situation spitze sich dann zu, wenn Alleinerziehende im Tieflohnsektor tätig seien und von ihnen zusätzlich Überstunden oder flexible Arbeitseinsätze erwartet würden. «Unter Einelternfamilien gibt es vier Mal mehr Working Poor als in der Gesamtbevölkerung.»

Wirksame Massnahmen existieren bereits

Dabei gäbe es laut Caritas wirksame Instrumente, um Familienarmut zu bekämpfen. Nachdem deren bundesweite Einführung im Parlament gescheitert ist, haben die Kantone Tessin, Solothurn, Waadt und Genf Familienergänzungsleistungen auf Kantonsebene eingeführt.

Dies sei der richtige Weg, sagte Fredrich. Erste Erfahrungen mit dieser Massnahme seien positiv. Weitere Kantone seien nun gefordert, ebenfalls Ergänzungsleistungen an Familien zu zahlen. «Dies könnte dazu führen, dass weniger Alleinerziehende von der Sozialhilfe abhängig würden.»

Als weitere taugliche Mittel gegen die Armut Alleinerziehender zählte Fredrich etwa längere Öffnungszeiten von Kindertagesstätten oder das Wohnen im Umfeld von verlässlichen sozialen Netzen auf. Und auch die Arbeitgeber seien gefordert: «Es darf nicht Anspruch und Voraussetzung sein, möglichst flexibel zu sein auf dem Arbeitsmarkt.» Alleinerziehende hätten nun mal weniger zeitlichen Spielraum.

Gewichtige Lücken

Die Politik dürfe der Lebenssituation von armutsbetroffenen Alleinerziehenden nicht tatenlos zusehen, sagte Fredrich. Trotz der jüngsten Neuregelung des Kindesunterhalts blieben nach einer Scheidung oder Trennung gewichtige Lücken bestehen.

Geschehe nichts, so ist laut Caritas die Existenz Alleinerziehender gefährdet. Dies belegt auch die vom Hilfswerk in Auftrag gegebene Studie der Universität Bern. 14 Interviews mit Betroffenen und Experten hätten gezeigt, dass Alleinerziehende durch ungenügende finanzielle Ressourcen bei Bildung, Gesundheit und Freizeit benachteiligt seien, sagte Co-Autorin Michèle Amacker.

Die schwierige Situation gehe auch an den Kindern nicht spurlos vorbei. Oft hätten sie weniger Zugang zu früher Förderung oder das fehlende Geld schränke mögliche Freizeitbeschäftigungen stark ein. «Den Kindern bleiben Startchancen verwehrt», sagte Amacker. Ihnen drohe der Ausschluss aus der Gesellschaft.

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