Menschen betrieben viel früher als bisher angenommen Alpwirtschaft in den Schweizer Hochalpen. Berner Forscher haben Hinweise gefunden, dass Hirten bereits etwa 5000 vor Christus mit ihren Herden aus dem Unterwallis ins Berner Oberland zogen.
Bis vor kurzem wurde es noch als Spekulation abgetan, dass Hirten bereits vor 7000 Jahren ins Berner Oberland kamen. Neue Ergebnisse zweier Forscher der Uni Bern weisen aber stark daraufhin, dass es tatsächlich so war. Sie kombinierten dafür archäologische Befunde mit Erkenntnissen aus der Paläoökologie, wie die Uni Bern am Donnerstag mitteilte.
Im Fachblatt «Quarternary International» rekonstruieren sie die Ankunft von Hirten im Berner Oberland so: In der Zeit um 5000 vor Christus gab es in der Gegend um das heutige Sitten bereits menschliche Siedlungen, deren Bewohner Ackerbau und Viehzucht betrieben.
Ihre Schafe und Ziegen fanden jedoch an den steilen, trockenen Hängen des Unterwallis nur wenig Futter, weshalb die Hirten mit ihren Herden den zweitägigen Fussmarsch ins Berner Oberland auf sich nahmen.
Unterhalb des 2756 Meter ü.M. gelegenen Schnidejoch-Passes fanden sie laut den Forschern gute Weidemöglichkeiten. Allerdings bot sich diese Wanderweidewirtschaft wohl nur an, während sich die Gletscher aufgrund einer Warmphase – dem holozänen Wärmemaximum – zurückgezogen hatten. Der Schnidejoch-Pass war dadurch während mehrerer Jahrhunderte eisfrei.
Artefakte und Seesedimente
Die Studie von Albert Hafner und Christoph Schwörer von der Universität Bern stützt sich einerseits auf prähistorische Funde vom Schnidejoch, andererseits auf die Analyse von Sedimentkernen aus dem nur wenige Kilometer entfernten Iffigensee, wie es in der Mitteilung hiess.
Durch das Abschmelzen eines Eisfeldes am Schnidejoch sind seit 2003 mehrere hundert Objekte zum Vorschein gekommen. Darunter waren Überreste von hölzernen Behältern, in denen die Walliser Hirten vermutlich Vorräte transportierten für die Zeit, die sie mit ihrer Herde auf der Berner Seite des Passes verbrachten. Die ältesten der Objekte stammen aus der Zeit um 5000 vor Christus.
Auf frühe Alpwirtschaft weisen zudem aus Zweigen geflochtene Ringe hin. Diese stammen aus der frühen Bronzezeit (ab 2100 vor Christus) und dienten wahrscheinlich dazu, die Pfähle von mobilen Weidezäunen zusammenzuhalten.
Jahrtausendealte Tradition
Möglicherweise handelt es sich dabei um eine über Jahrtausende hinweg überlieferte Methode, denn solche Ringe aus Zweigen sind auch auf einer undatierten historischen Aufnahme von Teuffenthal bei Thun zu sehen, auf der Bauern damit einen mobilen Zaun errichten.
«Es handelt sich dabei offensichtlich um eine äusserst einfache und zweckmässige Technik, die sich in traditionellen Gemeinschaften lange halten konnte», sagte Hafner gemäss der Mitteilung.
Weitere Indizien für die frühe Weidewirtschaft in der Gegend um das Schnidejoch lieferte der Iffigensee, genauer gesagt die Pollen und Pilzsporen in seinem Sediment. Umweltwissenschaftler Schwörer konnte daraus rekonstruieren, dass insbesondere nährstoffliebende Pflanzen wie Brennesseln in der Gegend wuchsen. Also Pflanzen, die häufig dort vorkommen, wo Vieh über Nacht eingezäunt wird. Ausserdem fand er Sporen von einem Pilz, der besonders gut auf Viehdung wächst.
Als es rund 4000 vor Christus wieder kälter wurde und die Gletscher an Masse zulegten, wurde der Schnidejoch-Pass wieder unpassierbar. Entsprechend fand Schwörer im Sediment des Iffigensee auch keine Hinweise auf Alpwirtschaft aus dieser Zeit.