Am 72. Filmfestival von Venedig dominierte die Dokufiktion

Ein Wettbewerb mit fiktionalen Überraschungen («An Endless River»), Ärgernissen («A Bigger Splash»), politischem Mut («Rabin, the last day»), sperriger Hochkultur («Francofonia») und gut gespieltem Mainstream («The Danish Girl»). Die Film-Erfinder sind nicht müde. Das diesjährige Filmfestival in Venedig war ein Wettbewerb voller hochgerüsteter Träume: eine trickanimierte Liebesgeschichte («Anomalisa», Grosser Preis der Jury), ein prächtiges südafrikanisches Melodram […]

Überraschung aus Venezuela: der Siegerfilm.

Ein Wettbewerb mit fiktionalen Überraschungen («An Endless River»), Ärgernissen («A Bigger Splash»), politischem Mut («Rabin, the last day»), sperriger Hochkultur («Francofonia») und gut gespieltem Mainstream («The Danish Girl»). Die Film-Erfinder sind nicht müde.

Das diesjährige Filmfestival in Venedig war ein Wettbewerb voller hochgerüsteter Träume: eine trickanimierte Liebesgeschichte («Anomalisa», Grosser Preis der Jury), ein prächtiges südafrikanisches Melodram («An Endless River»), eine geistreiche französische Rechtsfindung («Hermine»).

Das 72. Festival in Venedig bot aber auch grandiose Erstlinge, wie «The Childhood of a Leader», eine wuchtige Faschismusgenese, oder «Boi Neon».

Der Goldene Löwe geht nach Südamerika

Lorenzo Vigas aus Venezuela überraschte mit «Desde Allá» und seiner geradlinig erzählten Geschichte, die aus einer der grossen Städte Südamerikas stammt. Der globale Umbruch hat Caracas erreicht: Armut, Arbeitslosigkeit, Apathie. Die ältere Generation trifft auf eine neue, unruhige Jugend, die Kapitalismus nicht innerhalb von moralischen Grenzen interpretiert. Nach dem Motto: Was Geld bringt, ist gut, Du darfst dich nur nicht erwischen lassen.

Die Venedig-Gewinner im Überblick
Goldener Löwe für den besten Film: «Desde alla» von Lorenzo Vigas
Grosser Preis der Jury: «Anomalisa» von Charlie Kaufman und Duke Johnson
Silberner Löwe für die beste Regie: Pablo Trapero für «El Clan»
Spezialpreis der Jury: «Abluka» von Emin Alper
Preis für den besten Schauspieler: Fabrice Luchini für «L’hermine» von Christian Vincent
Preis für die beste Schauspielerin: Valeria Golino für «Per amor vostro» von Giuseppe M. Gaudino
Preis für das beste Drehbuch: Christian Vincent für «L’hermine» (Regie: Christian Vincent)
Marcello-Mastroianni-Preis für den besten Jungdarsteller: Abraham Attah für «Beasts of No Nation» von Cary Fukunaga

Damit hat die Jury der Jugend ihr Vertrauen geschenkt. Vigas hat ein solides Porträt seiner Heimat anhand der Begegnung zweier Männer am Rande der Kriminalität gezeigt: Der Zahntechniker Armando geht einem Jungen auf den Zahn, dem er sich selber eigentlich nähern will. Nur betrachten würde er den Kleinkriminellen. Doch bald gerät er in eine Verwicklung, die er nicht erwartet hat.

Ein Sieg der Wirklichkeit

Nach über 140 Filmen in Venedig ist der Eindruck reich: Die Film-Erfinder sind nicht müde. Die Grenzen zwischen Dokumentarfilm und fiktionalem Film, Reenactment oder Biopic fliessen. Der Dokumentarfilm ist auch in der Verwertungsmaschinerie von Netflix angekommen. Ist das die Folge von immer mehr Kameras, die unsere Wirklichkeit unwirklich erscheinen lassen? Ist Wirklichkeit nurmehr Fiktion? Oder ersetzen Dokumentaristen nun die fehlenden Recherchen der Printmedien? Der Film nimmt sich vermehrt der Wirklichkeit an – mit Kunst.

Fast jeder Film in Venedig behauptete von sich, nach der Wirklichkeit gedreht zu sein. Wenn auch die Diskussion über jene Filmen vorherrschte, hinter denen die Bürger sichtbar wurden, die sie machten – Sieger blieben die Erfinder: Lorenzo Vigas («Desde Allá») widmete den Preis den Menschen in seinem Land Venezuela und deren Suche nach einem Dialog. Der Israeli Amor Gitai («Rabin, the last day») fasste auf der Pressekonferenz zusammen, was Filme in diesem Jahr Venedig ins Zentrum des Interesses rückte: «Ich habe diesen Film als Bürger gemacht, nicht als Filmemacher.»

Fiktionen beleihen die Wirklichkeit

Viele Filme in Venedig liehen sich die Stoffe in der Wirklichkeit aus. «Marguerite» dokumentierte das Leben der Opernkreischerin Foster-Jenkins. «The Danish Girl» jenes der Malerin Lili Elbe. Während Johnny Depp die hundertste nichtssagende Variante des wirklichkeitsfernen bösen Film-Noir-Ganoven herunternudelte (ausser Konkurrenz:«Black Mass»), näherte man sich aus Argentinien den Fakten um einen wirklich bösen Buben: In «El Clan» (Silberner Löwe für Beste Regie an den Argentinier Pablo Trapero) hat der ehemalige Geheimdienstler Puccio eine Geschäftsidee.

Er entführt mit seiner Familie Menschen. Unter dem Namen «Volks-Befreiungsarmee» kassiert er Lösegeld, ehe er die Opfer liquidiert. «El Clan», in Argentinien bereits angelaufen, ist dort ein Kassenschlager. Erfahren die Bürger jetzt endlich, was ihnen in ihrem Land lange verschwiegen wurde? «El Clan» ist tatsächlich die gelungene Fiktionalsierung von Dokumentarismus, und beweist: Auch ein Thriller – engagiert gemacht – kann etwas zu sagen haben.

Venedig führt den Trend anderer Festivals fort. Die Grenzen zwischen Dokumentarfilm und fiktionalem Film und Reenactment und Biopic sind im Fluss. Die Grenzüberschreitungen zwischen den Genres werden immer kreativer. Dokumentaristen drängen auch in den Wettbewerb.

Filmdokumente als Recherche-Perlen

Der Russe Alexander Sokurow (er hat bereits 2011 einen Goldenen Löwen für seinen sperrigen «Faust» erhalten) hat mit der Wucht seiner «Francofonia» durch seine halbdokumentarische Machart überrascht. In seinem wortgewaltigen Film-Poem eröffnete Sokurow gleich zu Beginn des Wettbewerbs den Kampf um die Bilder.

Mit fast pathetischer Ruhe sammelte er in seiner «Francofonia» Bilder und Fakten um Bau und Rettung des Louvre und der Hermitage, und dokumentierte den Umgang mit der Kunst im dritten Reich neu.

Sokurow spielt mit der Bilderwelt des zweiten Weltkrieges, indem er dokumentarisches Material mit seinen gespielten Szenen verbindet. Die Bilderwelt soll nicht mehr von den Herrschenden dominiert sein. Die Kunst, so Sokurows Apell, soll retten, was die Politik verludert hat. Mit Gegenbildern. 

So lässt Sokurow den echten, damals gefilmten, Hitler in Paris fragen: «Wo ist denn jetzt dieser Louvre?», und hebelt damit Riefenstahls Insbildsetzung aus. Sokunow richtet einen flammenden Appell an die Menschheit: Rettet die Zivilisation vor solchen Menschen.

Der rätselhafte Mordfall von Itzak Rabin

Vor allem ein Film schob sich dann im Wettbewerb als Dokufiktion vor die Aufmerksamkeit für die Spielfilme. Amor Gitai inszenierte mit «Rabin, the last Day» das Re-Enactment einer Gerichtsverhandlung, die so nie stattfinden konnte. Aufgrund von recherchierten Materialien legt er den aufrüttelnden Verlauf von Itzak Rabins letzten Stunden vor der Ermordung dar.

Rabin war damals zur Zentralfigur eines Friedensprozesses geworden, der einen Frieden im Nahen Osten noch möglich erscheinen liess. Die Unterzeichnung eines Vertrages stand bevor, der für die Zweistaaten-Lösung die Tore geöffnet hätte. Der Regisseur Gitai geht nun mit dem vorgefundenen Material und einer Truppe von Schauspielern der Frage nach, ob Rabin von den Sicherheitskräften und vom Geheimdienst bewusst völlig schutzlos zum Abschuss durch einen «Einzeltäter» freigegeben wurde. 

Mittels Dramatisierung von Ermittlungs-Protokollen sucht Gitai schonungslos nach den Wurzeln der rechtsextremen Dominanz im Staate Israel. Er findet sie in dem voodoomässigen Todesbann der Rabbis ebenso wie in der damals vom heutigen rechten Ministerpräsidenten angeheizten Stimmung gegen Rabins Friedensbemühungen im Nahen Osten.

Parallelen zu den Attentaten auf Olof Palme oder John F. Kennedy

Mit Filmaufnahmen und nachgestellten Dokumenten jener Zeit eröffnet Gitais Film erstaunliche Parallelen zu anderen Morden von «Einzeltätern» (Palme, Kennedy, King) als ein geheimdienstliches Muster, das Schule machte, wo immer Politiker das Ende einer Eiszeit einläuten wollten.

Dass es Gitai nicht immer gelingt, seine Schauspieler-Truppe eine Haltung als Bürger zu den Ereignissen einnehmen zu lassen, ist nur verständlich: Der Filmemacher Gitai hat letztlich über den Bürger Gitai gesiegt. Er lässt die Schauspieler manchmal zu pathetisch in der Rolle aufgehen, wo ein distanziertes Spiel seine Recherche noch wertvoller gemacht hätte. 

Wie war die Schweizer Wirklichkeit vertreten?

Nach der polizeilichen Schliessung der Islam-Installation des Schweizers Büchel (er hat für die Isländer eine Kirche zur Moschee gemacht), und der Begeisterung für Marthaler (für seinen Gesang-Workshop) war man gespannt. Doch war die Schweiz auf dem Lido filmerisch nur dünn vertreten. Immerhin fand sich eine mit Spannung erwartete Co-Produktion im Wettbewerb. Marco Bellocchio (er erhielt eben den Goldenen Leoparden für sein Lebenswerk in Locarno) konnte mit seiner italienisch-schweizerischen Produktion «Sangue del mio Sangue» einen achtbaren Erfolg verbuchen, weil er unter all den kläglichen italienischen Beiträgen doch deutlich hervorstach.

Zwei Filme in einem

«Sangue del mio Sangue » enthält, was sein Name verspricht: Eine historische Liebestragödie mit Frauenfiguren, die als Hexen in Klostern eingesperrt werden, und Mönchen, die nach ihnen schmachten. Geliebte, die sich umbringen. Rächer, die in Kloster eindringen. Bellocchio beweist, dass er ein Altmeister ist, und mehr kann, als einen Film drehen. Er kann auch zwei.

Bellocchios erster Film beginnt mit einem Klosterglöcklein, in Zeiten der Inquisition. Im Gebetsraum des Klosters zieht Don Federico den Dolch aus der Scheide. Das rhythmische Stöhnen, das aus dem Nebenraum hörbar wird, stammt von einer Frau, die er da halbnackt kopfüber hängen sieht.

Mit ausgesuchten Bildern macht Bellocchio klar, wozu er fähig ist: Mit einfacher Metaphorik öffnet er grosse Zusammenhänge. So könnte er in diesem Kloster auch weite Teile einer bigotten Kirchenwelt erklären. Warum ist Don Federico hier? Er kämpft dafür, dass sein Bruder, der Selbstmord begangen hat, in geheiligter Erde begraben wird. Doch Bellocchio gibt sich damit nicht zufrieden. Mitten im Film packt ihn der Mut, die ganze Welt erklären zu wollen.

Dort, wo Bellocchio die katholische Geschichte der Renaissance meint, gelingt ihm das auch. Bellocchio bringt die Doppelmoral der Mönche in eindrückliche Bilder. Aber als er dann auch das Heute damit erklären will, wird Bellocchio das eigene Korsett zu eng. Er sprengt seinen ersten Film mit einem zweiten.

Plötzlich fährt ein roter Ferrari vor dem Klosterportal vor, und ein russischer Investor taucht auf. Formal öffnet sich die geschlossene Narration. Bellocchio leiht sich plötzlich Buñuels Patenschaft: Ironisch, absurd ersetzt er die filmische Allegorie-Methode mit Satire.

Comedy ersetzt Comédie Humaine

Mit überhöhten Anspielungen (das alte Establishment lebt als Vampir incognito in den Klostermauern) spielt Bellocchio plötzlich den Hof-Narren, den er im Film auch bedeutungsreich vortanzen lässt. Jetzt ersetzt Comedy die Comédie Humaine. Die kabarattistischen Anspielungen sind geistreich, aber bei weitem nicht so reich, wie die Bildgewalt des ersten Teils. Sie reichen für eine hübsche absurde Gesellschaftssatire. Der russische Investor will entweder ein Heim für Drogensüchtige oder ein Luxushotel bauen, etwas, womit er Geld verdienen kann.

Hätte es Bellocchio bei seinem ersten Teil-Film belassen, er hätte das Innere eines Gottesstaates, dessen jahrhundertealte Mauern noch heute die Fundamente unserer Innenstädte bilden, entblössen können. Er hätte eine grossartig, dichte Geschichte erzählt über jene Zeit, da die Kirche mit aller Brutalität ihre religiösen Gesetze über die Gesetze der Menschlichkeit stellte – konventionell, wie viele vor ihm.

Doch den Meister juckte der Verstoss gegen Gesetze. Mit einem surrealen Schwenker in die Gegenwart überbietet er zum Schluss sich selbst: Seine Eminenz Federico erscheint im Heute höchstselbst zur Befreiung der eingemauerten Nonne. Eine letzte Allegorie in diesem Film der Allegorien: Die Hoffnung ist nicht gestorben. Gequält, verbrannt, ertränkt und eingemauert hat sie überlebt, die Seele der Liebe.

Hinter den Mauern des Vatikan

Ebenso der Kirche gewidmet, aber gar bescheiden, der zweite Festivalbeitrag aus der Schweiz: Die Dokumentation «L’Esercito Piu Piccolo Del Mondo» («Die kleinste Armee der Welt»). Regisseur Gianfronco Pannone inszenierte das Festivaldebüt des «Centro Televisivo Vaticano» über die Schweizer Gardisten in Rom. Gleichzeitig lieferte er den Beweis, dass es nicht reicht, nur zu schauen, ohne zu sehen. Selbst ein Dokumentarfilm mit viel Wirklichkeit, kann an der Wirklichkeit vorbeischauen.

Pannone verpasst so ziemlich jede Chance, die sich einem Film über eine fünfhundert Jahre alte Tradition von Berufssoldaten (als Reisläuferei) hätte bieten können. Selbst da, wo er uns die Bilder vor Augen führt, sieht er sie nicht: Er streift Fresken an den Wänden des Vatikans, in denen die Zeiten festgehalten sind, da der Kirchenstaat eine kriegstreibende Macht in Italien war, und die Schweizer seine gefürchteten Exekutoren.

Aber die Wände, die im Vatikan ja nicht nur Ohren, sondern auch Bilder haben, bleiben stumm. Was er da an Tapeten streift, hätte viel mehr erzählt, als das Tagebuch eines Rekruten aus dem Aargau, der sein Hemd packen, etwas am Sinn zweifeln und einen Eid brüllen darf.

Ein Festival der Fiktionen gegen die Doku-Filme?

Der italienische Film im Tief, die Schauspieler aber nicht: Fabrice Lucchini, der Franzose mit italienischen Vorfahren, milderte die italienische Schmach ebenso wie Valeria Golino für «Per amor vostro»: Beide erhielten den Silbernen Löwen, und stachen damit den Oscar-Gewinner Eddie Redmayne aus, der mit der Darstellung einer Transsexuellen brillierte.

Schliesslich liefern die Regisseure Duke Johnson und Charlie Kaufman («Beeing John Malkovich») mit «Anomalisa» den Beweis, dass die Erfindung der Wirklichkeit immer noch den eigentlichen Triumph des Films darstellt. Johnson/Kaufman gehen darin weit: Sie verzichten auf echte Schauspieler. Sie lassen Drehorte vom Computer zeichnen. Aus einem fiktiven Hörspiel machen sie einen reinen Animationsfilm. In der Tat ist ihre fiktionale Erzählung eine Trickfilmironie, ein herzergreifendes, reines Kunstprodukt.

Michael Stone ist der vereinsamte Mensch unserer Städte. Gut vernetzt, verheiratet, aber voller Sehnsucht nach Leben berät er andere beim Leben, und scheitert im eignen. Der Film ist ein Dokument der Einsamkeit in der Künstlichkeit unserer Zeit. Johnson/Kaufman (Grosser Preis der Jury) gelingt es, Bilder mit Leben zu füllen, die von Hopper stammen könnten.

«Anomalisa» führt uns vor Augen, wie sich Film-Wirklichkeit aus Bilder-Illusionen, Ton-Verzerrungen und Gefühls-Einbildungen zusammensetzt. Johnson/Kaufman liefern die hinreissende Tonspur einer intellektuellen Kunst-Spielerei, die nur auf den ersten Blick fern der Wirklichkeit spielt.

In «Anomalisa» sprechen Männer wie Frauen mit einer Männer-Stimme. Die Figuren bewegen sich wie in einer anderen Wirklichkeit. Die Regungen ihrer Herzen wirken wie ferngesteuert.

Südamerika im Zeichen des Löwen

Eine Überschau des Festivals macht deutlich: Die Stimme der Fiktion im Film wird übertönt. Der Markt drängt vor. Die Wirklichkeit brüllt lauter, klingt aber auch nur wie Film-Wirklichkeit. Die Perlen werden seltener. Dennoch beweist auch das 72. Festival in Venedig: Dort, wo der Dokumentarismus und Fiktion sich glücklich paaren dürfen, entsteht immer noch grosses Kino.

Die Jurys hatten also keine leichten Entscheide zu fällen, zumal die grossen Überraschungen gar nicht im Wettbewerb in Venedig auftauchten: Die Glanzstücke fanden sich am Rande: Der brasilianische «Boi Neon», der (Spezial-Preis der Orrizonti-Jury), bestach durch seine dokumentarische Nähe und eine unbestechliche Phantasie.

In Begleitung einer Kuhhirten-Truppe entwickelt sich da eine Liebesgeschichte, die in grosser Sinnlichkeit fotografiert Männer- und Frauenwelten einander gegenüberstellt. «Boi Neon» ist einer jener Filme, für den jeder Festivalbesuch sich lohnt: Weil so ein kleines Meisterwerk vielleicht nie die Kinos Europas sehen wird, gilt es ihn wohl weiterhin auf Festivals zu suchen. Ebenso lief der wuchtige Erstling «The Childhood of a Leader» von Brady Corbet (beste Erstling-Regie) in der Orizzonti-Reihe auf. Mit der phantastischen Musik von Scott Walker, und einerm düsteren Familienporträt konstruierte er das Familienporträt eines Monstrums.

Monumental: «The Childhood of a leader»

Monumental: «The Childhood of a leader»

Es war also klar, dass die Jury viele prächtige Filme auf die Plätze verweisen wird müssen. Dazu gehört die intelligente dänische Kriegs-Abhandlung «Krigen» von Tobias Lindholm, das südafrikanische Melodram «The Endless River» und das von Eddie Redmayne grossartig gespielte «The Danish Girl». Sie alle tragen zum Triumph der Fiktion in Venedig bei. Sie beweisen aber auch, dass das grosse fiktionale Kino nur dann immer wieder gross zurückkommt, wenn es mit einer neuen, authentischen Wirklichkeit aufwarten kann, wie sie sich zur Zeit in Afrika oder Südamerika findet – wo auch der Sieger mit seinem Erstling herkommt. 

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