Olympique Marseille will fast 25 Jahre nach dem Champions-League-Titel zurück an die europäische Spitze. Hoffnungsträger ist ein Amerikaner, der in der Heimat ohne Lobby ist.
Es sind Tage und Spiele, die beweisen sollen, dass Olympique Marseille auf dem Weg zurück an die Spitze ist – zumindest an die nationale: am letzten Sonntag das Duell gegen den Erzrivalen Paris Saint-Germain und am Mittwoch der Cup-Achtelfinal gegen Monaco. 40 Millionen Euro haben die Südfranzosen unter dem neuen Besitzer Frank McCourt in der Winterpause ausgegeben, um wieder Anschluss zu finden zur in den letzten Jahren enteilten Konkurrenz. Die Hoffnung ist durchaus gross unter den Fans. 65’252 Zuschauer sorgten gegen PSG für einen Stadionrekord.
Am Sonntagabend zeigte sich aber auch auf brutale Weise, wie gross das Gefälle zwischen Marseille und Paris Saint-Germain ist. Chancenlos schlitterte das Heimteam in das 1:5-Debakel gegen den Serienmeister, der im Verlauf der Partie Julian Draxler und Angel Di Maria einwechseln konnte. Zum Thema wurde nicht der Zuschauerrekord, sondern die höchste Heimniederlage der Südfranzosen seit fast 65 Jahren. Seit 2011 hat Marseille keine Partie mehr gegen PSG gewonnen.
Trotzdem blieben den Spielern die Pfiffe während der Partie erspart. Nicht in erster Linie, weil sich das fussballverrückte Marseille an die Niederlagen gegen den Klub aus der Hauptstadt gewöhnt hat. Vielmehr glaubt das Publikum an das Projekt, das McCourt zusammen mit seinem Präsidenten Jacques-Henri Eyraud und Sportchef Andoni Zubizarreta seit dem letzten Oktober der Öffentlichkeit geschickt verkauft. 200 Millionen Euro sollen über die nächsten vier Jahre für neue Spieler ausgegeben werden. Das sogenannte «OM Champions Project» soll in Meister- und Champions-League-Titel münden.
Eine starke Führung
Im letzten Oktober übernahm McCourt den Klub von Margarita Louis-Dreyfus, der in Zürich lebenden Milliardärin. Die mit dem früheren Nationalbank-Präsidenten Philipp Hildebrand liierte Russin hatte Olympique Marseille von ihrem 2009 verstorbenen Ehemann Robert Louis-Dreyfus geerbt. Dieser hatte Ende der Neunzigerjahre versprochen, aus Olympique Marseille das «Bayern München des Süden» zu machen. Gut 500 Millionen Euro soll seine Familie über die Jahre in den Klub gesteckt haben für die bescheidene Ausbeute von einem Meistertitel (2010) und drei Ligacup-Siegen (2010 bis 2012).
McCourt will höher hinaus und hat dafür in den ersten Monaten als Klubchef auch das eine oder andere gemacht. Mit Eyraud engagierte er einen sympathischen Exponenten, der mit den Medien und den Fans gut und ausgiebig kommuniziert. Der 126-fache spanische Nationalgoalie Zubizarreta bewies seine Qualitäten als Sportchef zwischen 2010 und 2015 beim FC Barcelona. Trainer Rudi Garcia führte Lille 2011 zum Double und betreute danach die AS Roma erfolgreich. In der Winterpause wurden unter anderen mit Dimitri Payet, Morgan Sanson und Patrice Evra erste namhafte Spieler verpflichtet.
McCourts schlechter Ruf in der Heimat
Dass die Ära McCourt zum zweiten Champions-League-Titel führt oder auch nur ein gutes Ende nimmt, daran zweifeln vor allem Beobachter aus Übersee. Der 63-Jährige kann sich die Investitionen in Marseille auch deshalb leisten, weil er 2012 das Baseball-Team der Los Angeles Dodgers für den Rekordbetrag von gut 2 Milliarden Franken verkaufen konnte, nachdem er ihn 2004 für einen Fünftel dieses Betrags akquiriert hatte. In Los Angeles blieb der grosse sportliche Erfolg aus, dafür rankten sich Gerüchte, er hätte Geld für private Zwecke abgezweigt und Vetternwirtschaft betrieben. Auf Druck der Liga musste er den Klub 2012 verkaufen, nachdem er diesen fast in den Bankrott getrieben hatte.
Die «Los Angeles Times» liess es sich im letzten Herbst nicht nehmen, das Communiqué zum neuen Besitzer von Olympique Marseille spöttisch zu kommentieren. In dem hatte es geheissen, McCourt habe die Dodgers zu finanziellem Erfolg verholfen. Und auch der amerikanische Sportsender ESPN hat eine klare Meinung zu McCourt. In einer Rangliste der unfähigsten Besitzer der Major League Baseball aller Zeiten belegte er 2011 den 2. Platz – «geschlagen» nur von Harry Frazee, der 1919 die Ursünde der amerikanischen Sportgeschichte beging, indem er Babe Ruth von den Boston Red Sox an die New York Yankees verkaufte.