Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat sich ein Jahr nach den Wahlen in Tunesien besorgt über die Entwicklung im nordafrikanischen Land gezeigt. Tunesien stehe am Scheideweg, mahnte die Organisation am Dienstag.
In den vergangenen Monaten sei die Meinungsfreiheit von Journalisten, Künstlern, Regierungskritikern, Schriftstellern und Bloggern eingeschränkt worden. Dies sei unter der fadenscheinigen Begründung geschehen, sie würden die öffentliche Sicherheit und Moral gefährden, kritisiert Amnesty im Bericht „One step forward, two steps back?“.
„Tunesien ist am Scheideweg: Die Regierung muss diese historische Chance nutzen, die schmerzhafte Vergangenheit umfassend aufzuarbeiten und das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit umzusetzen“, wird Nordafrika-Experte Reto Rufer von Amnesty International Schweiz im Communiqué zitiert.
Amnesty anerkenne zwar die Bemühungen der tunesischen Regierung, die Vergangenheit aufzuarbeiten. Diese Anstrengungen würden aber zu kurz greifen, insbesondere was notwendige Reformen und die Durchsetzung von Menschenrechten anbelange.
Folter und Misshandlungen
Die Übergangsregierung habe in den ersten Monaten nach der Vertreibung von Ex-Diktator Ben Ali wichtige Reformen angestossen und erste Fortschritte erzielt. Laut Rufer habe es die neue Regierung seitdem allerdings versäumt, diese Reformen nachhaltig zu unterstützen.
Die Menschenrechtsorganisation erhielt nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr zahlreiche Berichte über Folterungen und Misshandlungen in Tunesien. Vor allem Demonstrantinnen und Demonstranten hätten berichtet, sie seien bei Strassenprotesten oder in Gefängnissen geschlagen worden.
Vor einem Jahr, am 23. Oktober 2011, war in Tunesien eine Verfassungsgebende Versammlung gewählt worden. Diese hatte dann den neuen Präsidenten und die neue Regierung bestimmt.