Im letzten Frühling hat Andy Schmid die Rhein-Neckar Löwen zum ersten Bundesliga-Titelgewinn der Klubgeschichte geführt. Nun brilliert der Schweizer Star-Handballer auf höchster europäischer Ebene.
Der 34:26-Triumph beim aktuellen Champions-League-Sieger Kielce ist als beeindruckendster Effort der aktuellen Kampagne zu taxieren. Schmid war an der ersten Europacup-Heimniederlage der Polen seit 35 Monaten hauptbeteiligt. Wichtiger war seine Rolle in der Mannheimer Organisation nie zuvor seit seinem Wechsel nach Deutschland vor sechs Jahren. Der Regisseur mit einem Vertrag bis 2020 ist als neuer Captain nun auch neben dem Parkett der uneingeschränkte Frontmann der Löwen.
Die Gala in Kielce ist vermutlich ein weiteres Highlight Ihrer Karriere?
«Auswärts Kielce derart deutlich zu besiegen, ist in der Tat ein Highlight und kommt schon sehr überraschend. Die Art und Weise des Erfolgs war beeindruckend. Wir haben bewiesen, auch auswärts jeden Gegner dominieren zu können. Ohne das Ergebnis nun überbewerten zu wollen, haben wir in der europäischen Klubszene am Sonntagabend sicherlich ein Exempel statuiert.»
Sie selber brillierten als Torschütze und genialer Passeur. Deutschlands Ex-Star Stefan Kretzschmar adelte Sie auf Twitter als «Lion(el) Messiah of Handball».
«Es ist natürlich schön, von Leuten solche Komplimente zu hören, die Ahnung haben vom Handballsport.»
In Polen waren Sie der Kopf eines hervorragenden Kollektivs.
«Bei uns haben in Polen Spieler Verantwortung übernommen, die normalerweise nicht so oft zum Einsatz kommen. Es ist Gold wert, dass der Coach personelle Ressourcen besitzt, dass er in schwierigen Spielen auf jeden Einzelnen setzen kann.»
Ist Kielce nach wie vor der wichtigste Europacup-Gradmesser?
«Zusammen mit Veszprem, Barcelona, Paris, Flensburg und Kiel gehört Kielce zur europäischen Spitze. In der obersten Kategorie sind die Verhältnisse eng, jede dieser Mannschaften kommt für den Champions-League-Sieg infrage.»
Und die Rhein-Neckar Löwen?
«Auf die Teilnahme am Final-Four-Turnier in Köln arbeiten wir gezielt hin. Dank dem Effort gegen Kielce haben wir uns eine erstklassige Ausgangslage erspielt und peilen in unserer Gruppe nun Position 1 an. Die direkte Viertelfinal-Qualifikation wäre in meinen Augen ein erheblicher Vorteil. Mit zwei weiteren guten Spielen könnten wir Köln planen. Verpassen wir hingegen die Pole-Position, wird es heikel – Paris, Kiel, Barcelona, Flensburg oder Veszprem stehen dann in den Achtelfinals zur Auswahl.»
Wie stufen sie das Potenzial der Equipe nach dem Abgang der langjährigen Klub-Ikone Uwe Gensheimer ein?
«Der Klub hat sicherlich einen seiner wichtigsten Repräsentanten verloren. Aber sportlich haben wir auf der Flügelposition eine gute Nachfolgelösung gefunden, zumal keiner unersetzlich ist. Wir sind sicherlich nicht schlechter aufgestellt.»
Und trotzdem kam nach zwei, drei spielerischen Unebenheiten bereits etwas Unruhe auf. Weshalb?
«Nach dem Gewinn des ersten Meistertitels gerieten wir in eine kleine Baisse. Wir bekamen zu spüren, dass für weitere Erfolge wieder vermehrt physische Investments nötig sein würden, dass mit einem leicht gedrosselten Aufwand nichts zu gewinnen sein wird. Die Heimniederlage gegen Flensburg (17:21) öffnete uns bereits am 4. Spieltag erstmals die Augen. Der Rückschlag holte uns auf den Boden zurück, jedem war ab jenem Moment klar: Wir beginnen bei null, wir müssen wieder Schwerstarbeit verrichten – so wie in den letzten Jahren auch.»
War in den Wochen vor dem Exploit im Osten der neue Captain Schmid primär neben dem Feld gefordert?
«Es gab die eine oder andere Sitzung, ja. Ich stellte mir mein erstes Jahr als Captain schon etwas einfacher vor. Wir haben zwar meistens gewonnen, aber die Leistungen passten nicht. Und im bisher wichtigsten Bundesliga-Spiel gegen Flensburg enttäuschten wir die 10’000 Zuschauer sehr. Die Unruhe kam nicht von ungefähr, die Erwartungen sind hoch. Aber wir sind wieder auf Kurs.»