Warum lagen Sie falsch bei der Wahlumfrage, Herr Hermann?

Die Wahlumfragen der TagesWoche und der «bz Basel» hatten einen Rechtsrutsch prognostiziert. Doch das Gegenteil trat ein: Links-Grün jubelte und die Bürgerlichen mussten eine herbe Niederlage einstecken. Michael Hermann, Geschäftsführer der Forschungsstelle Sotomo erklärt im Interview, warum sich seine Prognosen nicht bestätigten.

Politologe Michael Hermann geht davon aus, dass der Wahkampf nun lebendiger wird.

(Bild: Keystone/Christian Beutler)

Die Wahlumfragen der TagesWoche und der «bz Basel» hatten einen Rechtsrutsch prognostiziert. Doch das Gegenteil trat ein: Links-Grün jubelte und die Bürgerlichen mussten eine herbe Niederlage einstecken. Michael Hermann, Geschäftsführer der Forschungsstelle Sotomo erklärt im Interview, warum sich seine Prognosen nicht bestätigten.

Bei den Regierungsratswahlen hat Ihre Umfrage nur Eva Herzog, Hans-Peter Wessels (beide SP) und Martina Bernasconi (GLP) korrekt platziert. Woran lag das?

Solche Verschiebungen geschehen relativ schnell – wenn einer einen Platz gutmacht, muss ein anderer Kandidat zwangsläufig einen Platz verlieren. Und wir hatten hier zwei Gruppen, in denen die Kandidaten jeweils nur wenige Prozente auseinanderlagen: Zwischen Conradin Cramer, Christoph Brutschin und Lukas Engelberger auf den Plätzen zwei bis vier lagen nur gerade drei Prozentpunkt – aber alle wurden gewählt, wie es die Umfrage auch gezeigt hat. Und zwischen Baschi Dürr auf Platz fünf und Lorenz Nägelin auf Platz acht lagen auch nur neun Prozentpunkte.

Auch bei den Grossratswahlen wich das Resultat zum Teil klar von der Umfrage ab: So stürzte die SVP von 17,4 Prozent aus der zweiten Runde auf 14,3 Prozent ab, dafür legten die Grünen unerwartet um knapp 3 Prozent zu. Wie erklären Sie sich das?

Bei der SVP lagen wir klar falsch, ansonsten lagen wir bei den Verschiebungen innerhalb des bürgerlichen Lagers im Grossen Rat grundsätzlich richtig: Die LDP gewann deutlich, die FDP und die CVP haben verloren. Und auch bei den wirklich entscheidenden Prognosen im Regierungsrat – etwa die kritische Situation von Herrn Wessels oder Herrn Dürr – lagen wir richtig. Aber den Rechtsrutsch, den die Befragung zeigte, hat es nicht gegeben. Das ist korrekt. 

«Wenn eine Umfrage einen möglichen Machtwechsel aufzeigt, werden interessierte Kreise aktiv.»

Verstehen Sie die Kritik an der Umfrage, die nun aufkommt?

Klar. Die Einschätzung des Erfolgs von Links und Rechts ist natürlich politisch relevant. Dass wir bei der Befragung herausgefunden haben, dass es eine realistische Chance auf einen Machtwechsel gibt, hat offenbar das linke Lager, also die potenziellen Verlierer, stärker mobilisiert als das rechte Lager. Die Aussicht auf einen Machtwechsel hätte aber auch die Bürgerlichen mobilisieren können. 

Und das reichte bereits, dass das Endresultat so anders aussah?

Es ist sicher eine Frage der Mobilisierung der Wähler. Aber eine Umfrage ist nun mal kein Endresultat, sondern nur eine Momentaufnahme auf Basis einer Stichprobe. Man kann damit gewisse Themen sichtbar machen – das gute Abschneiden von Conradin Cramer und der LDP oder – mit dem Sorgenbarometer – die Anliegen der Bevölkerung. Wenn dann ein möglicher Machtwechsel aufgezeigt wird, wird die Umfrage auch massiv in der Öffentlichkeit diskutiert und entsprechend werden interessierte Kreise aktiv. Sie wollen die Resultate zu ihren Gunsten verändern. Was hier offenbar gelungen ist.

Kritik gibt es auch an Ihrer Umfrage-Methode. Sie sei nicht wissenschaftlich genug. Werden Sie diese nun anpassen?

Natürlich werden wir nun unsere Vorgehensweise analysieren. Aber es gibt keinen Grund, die Methode grundsätzlich infrage zu stellen. Bislang waren wir immer gleich genau oder genauer als Telefonumfragen. Man darf nicht vergessen, dass eine solche Umfrage für Basel zum allerersten Mal durchgeführt worden ist. Zudem hatten wir aufgrund des Aufrufs in der TagesWoche und der «bz Basel» eine grosse Zahl eher linker Wähler, die wir herausrechnen mussten. Und dann haben wir auch den Effekt, dass Spätwähler in Basel die Linke deutlich stärker berücksichtigen als die Rechte, wohl zu wenig einbezogen. Genau solche Erfahrungen können wir in künftige Befragungen einfliessen lassen.

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