Angeblich 1300 Tote nach Giftgasangriff in Syrien

Die syrische Opposition wirft den Regierungstruppen den Einsatz von Giftgas und die Tötung von bis zu 1300 Menschen vor. Mit Nervengas bestückte Raketen seien vor dem Morgengrauen in mehreren Vororten der Hauptstadt Damaskus eingeschlagen, erklärten Regierungsgegner am Mittwoch.

Eine Frau trauert nahe Damaskus (Foto der Opposition) (Bild: sda)

Die syrische Opposition wirft den Regierungstruppen den Einsatz von Giftgas und die Tötung von bis zu 1300 Menschen vor. Mit Nervengas bestückte Raketen seien vor dem Morgengrauen in mehreren Vororten der Hauptstadt Damaskus eingeschlagen, erklärten Regierungsgegner am Mittwoch.

Eine Oppositionsgruppe sprach von 494 Toten bei dem Bombardement. 90 Prozent der Opfer seien durch Nervengas umgekommen, der Rest durch Bomben und andere Waffen. Andere Gruppen setzten die Zahl der Toten mit bis zu 1300 insgesamt noch deutlich höher an.

Eine unabhängige Bestätigung gab es dafür nicht. Die Armee von Präsident Baschar al-Assad bestritt den Einsatz von Giftgas.

George Sabra von der Syrischen Nationalen Koalition sagte, dieser Angriff habe allen Hoffnungen auf eine politische Lösung den «Todesstoss versetzt». «Dieses Mal wollte das Regime die Menschen nicht einschüchtern, sondern auslöschen», sagte er in Istanbul.

Sabra warf der internationalen Gemeinschaft ausserdem Komplizenschaft vor. «Die Unentschlossenheit der USA tötet uns. Das Schweigen unserer Freunde tötet uns. Die Vernachlässigung durch die internationale Gemeinschaft tötet uns.»

US-Präsident Barack Obama hatte den Einsatz von Giftgas in der Vergangenheit als rote Linie bezeichnet und vor Konsequenzen gewarnt. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, wäre es der schwerste Chemiewaffen-Angriff seit 1988, als der damalige irakische Staatschef Saddam Hussein Tausende Kurden in der Stadt Halabdscha mit Giftgas tötete.

Angriff im Morgengrauen

Die Kliniken im Osten von Damaskus meldeten mindestens 213 Tote, wie die Krankenschwester Bayan Baker von der Notfall-Sammelstelle Douma berichtete. «Unter den Opfern sind viele Frauen und Kinder», sagte sie. «Sie kamen mit geweiteten Pupillen, kalten Gliedmassen und Schaum im Mund hier an – die Ärzte sagen, dies seien die typischen Symptome von Nervengas-Opfern.»

Eine Oppositionsgruppe in Damaskus berichtete, der Angriff habe gegen 3 Uhr morgens begonnen. «Eine riesige Zahl von Menschen war dem Gas ausgesetzt», erklärte die Organisation. Die Zahl der Toten sei ständig gestiegen. Die Menschen seien erstickt, da es mangels Medikamenten keine Möglichkeit gegeben habe, ihnen zu helfen.

Der Anführer der oppositionellen Nationalen Koalition, Ahmed Dscharba, beschuldigte die Truppen von Präsident Assad, ein Massaker verübt zu haben. Im Internet tauchten zahlreiche Amateur-Videos und Fotos auf.

Ein Film, der angeblich im Viertel Kafr Batna aufgenommen wurde, zeigte ein Zimmer mit mehr als 90 Leichen, darunter viele Kinder sowie einige Frauen und ältere Männer. Die Haut der Toten wirkte kreidebleich, Verletzungen waren jedoch nicht zu sehen.

Bei vielen Toten handle es sich um Rettungskräfte, die den Opfern des Bombardements hätten helfen wollen und dann selbst vom Giftgas dahingerafft wurden, sagte ein Angehöriger der Rebelleneinheit Ahrar al-Scham im Bezirk Erbin östlich von Damaskus.

Weltgemeinschaft besorgt

Die EU-Aussenbeauftragte Catherine Ashton reagierte «mit grosser Sorge» auf die Berichte über den Chemiewaffen-Einsatz. Auch Grossbritannien zeigte sich zutiefst besorgt und appellierte an die syrischen Behörden, die UNO-Experten den Ort des Geschehens inspizieren zu lassen.

Sollten sich die Anschuldigungen bestätigen, wäre dies eine «schockierende Eskalation», sagte Aussenminister William Hague. Grossbritannien werde den Vorfall zum Thema beim UNO-Sicherheitsrat machen.

Auch Frankreichs Präsident François Hollande will nach Angaben einer Sprecherin die UNO bitten, den Ort der Attacke zu untersuchen. Die Informationen müssten geprüft und bestätigt werden.

Syrien zählt zu den wenigen Ländern, die den internationalen Vertrag zum Verbot von Chemiewaffen nicht unterzeichnet haben. Der Westen geht davon aus, dass das Land über grosse Lager von Senfgas, Sarin und VX-Nervengas verfügt.

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