In der Oberschicht des 21. Jahrhunderts haben Aufsteiger nichts zu suchen. Davon erzählt die deutsche Autorin Anne Lepper im Tennisstück «La Chemise Lacoste». Das Theater an der Winkelwiese in Zürich brachte die Groteske am Samstag zur schweizerischen Erstaufführung.
Regisseur Manuel Bürgin eröffnet das Endspiel am Tenniscourt, gewissermassen ausser Programm, mit dem traurigsten aller Abschiedslieder: «Wie die Blümlein draussen zittern». Es hat schon den Dällebach Kari, das Berner Original, verabschiedet.
«Oh bleib bei mir und geh nicht fort» singt nun in der Gruft unten auch Felix‘ Familie, als dieser, von Rauch umhüllt, in Unterhose und Unterleibchen zur Bühne aufsteigt. Mit diesem Lied ist das 2015 am Schauspielhaushaus Düsseldorf uraufgeführte Stück in der Schweiz angekommen.
Empfangen wird Felix (Matthias Rott) von den beiden Balljungen Tobi (Vivianne Mösli) und Philipp (Jeanne Devos), die allerdings nicht als solche zu erkennen sind. Im Gegensatz zum dürftig bekleideten Felix tragen sie Frack und Melone. Sie gehören zur Oberschicht und sind nicht gewillt, einen von unten in ihren exklusiven Club aufzunehmen. So selbstbewusst Felix auftritt: Er schafft es nicht, die gläserne Grenze nach oben zu durchbrechen.
Bitterböser Blick in die Zukunft
Anne Leppers surreal-makabres Stück blickt bitterböse in die Zukunft. Immer wieder schimpft Tobi auf das 20. Jahrhundert und «die Avantgarde», die noch für Durchlässigkeit der sozialen Schichten eingestanden ist.
Damit ist im 21. Jahrhundert Schluss. Die Oberschicht bleibt unter sich, verhindert den Zustrom von unten und schreckt auch vor Mord nicht zurück.
Das zeigt der zweite Teil des 90-minütigen Abends. Tennisstar Sebastian (Alexander Maria Schmidt) opfert seine Freundin Kay (Jeanne Devos) dem Anspruch seiner Klasse, unter sich zu bleiben. Kay kommt wie Felix von ganz unten, gibt sich Mühe, passt sich an, kämpft um Anschluss und stirbt am Schluss einen elendiglichen Tod.
Zahlreiche Verständnisklippen
Ein leichtes Stück ist «La Chemise Lacoste» nicht. Mit zahlreichen Anspielungen auf Literatur, Film, Musik und Philosophie hat Anne Lepper zahlreiche Verständnisklippen eingebaut, die dem Zuschauer den Aufstieg in ihre Sphäre erschweren.
Gleichwohl ist der Abend sehenswert. Die coole Atmosphäre, die fliegenden, abgehobenen Dialoge, die ideenreiche Umsetzung von Manuel Bürgin und vor allem das hervorragende Spiel des vierköpfigen Ensembles halten das Publikum bei der Stange.