Eine neue App soll Diabetikern helfen, ihre Mahlzeiten besser zu planen und ihren Blutzucker einfacher zu kontrollieren. Die von Berner Forschenden entwickelte Smartphone-App erkennt und errechnet über die Kamera den Kohlenhydrat-Gehalt einer Mahlzeit automatisch.
In der Schweiz sind etwa 500’000 Menschen von der Zuckerkrankheit Diabetes betroffen. Sie müssen mit Medikamenten ihre erhöhten Blutzuckerwerte kontrollieren und zudem ihre Mahlzeiten so planen, dass nach dem Essen der Blutzuckerspiegel nicht zu stark ansteigt. Dieser muss allenfalls durch Spritzen von Insulin wieder gesenkt werden.
Die dafür benötigte Menge Insulin, das sogenannte Essensinsulin, lässt sich aus der Menge an Kohlenhydraten in einer Mahlzeit berechnen – also Stärke und verschiedene Zucker, wie die Universität Bern am Mittwoch mitteilte.
Fotos der Mahlzeit
Doch es sei selbst für gut geschulte Diabetiker schwierig, den Kohlenhydratgehalt einer Mahlzeit genügend genau abzuschätzen, betonen die Forscher. Ihre Schätzungen rangierten oft zwischen der Hälfte bis zur doppelten Menge der tatsächlichen Kohlehydrat-Menge, erklärte Mitentwickler Peter Diem von der Universitätspoliklinik für Endokrinologie, Diabetologie und Klinische Ernährung auf Anfrage.
Die neue App erkennt die Nahrungsmittel auf einem Teller mit Hilfe der Smartphone-Kamera. Dazu muss der Benutzer ein Referenzobjekt, das den Grössenvergleich erlaubt, neben den Teller legen und zwei Fotos aufnehmen. Das Programm segmentiert und erkennt die verschiedenen Lebensmittel wie Fleisch, Gemüse und Nudeln und rekonstruiert deren dreidimensionale Form. Daraus wird das Volumen der einzelnen Lebensmittel abgeschätzt.
Mit Hilfe einer Nährwertdatenbank errechnet die App den Kohlenhydratgehalt und daraus automatisch das Essensinsulin. Wiederholte Tests mit Fotos von echten Mahlzeiten des Inselspitals ergaben, dass das System sich dabei durchschnittlich um nur 6 bis 7 Gramm irrt.
Erst ein Prototyp
Es gebe zwar bereits Apps, die den Kohlenhydrat-Gehalt einer Mahlzeit einschätzen helfen, liess sich Studienleiter Stavroula Mougiakakou vom ARTORG Center for Biomedical Engineering Research der Universität Bern in der Mitteilung zitieren. «Aber dort müssen die Nahrungsmittel manuell erfasst werden oder die Programme bieten keine Berechnung des Essensinsulins an.»
Von der neuen App gibt es laut Diem vorerst nur einen Android-Prototypen für die Forschung. Anwendungsversuche mit Patienten fänden ab diesem Sommer statt.