Arjen Robben befindet sich vor dem heutigen WM-Achtelfinal gegen Mexiko in der Form seines Lebens. Der Holländer besticht nicht nur durch spielerische Qualitäten, sondern auch durch mentale Stärke.
Hätte es eines (weiteren) Nachweises bedurft, um aufzuzeigen, wie schnelllebig das Fussball-Geschäft ist, wäre Arjen Robben hierfür prädestiniert. Kaum ein anderer Spieler machte in den vergangenen Jahren einen derartigen Image-Wandel durch wie der 30-jährige Holländer: Vom ewigen Verlierer und divenhaften Egoisten zum Titel hamsternden, aufopferungsvoll kämpfenden Teamleader. Von seiner seit jeher unbestritten Klasse am Ball hat der begnadete Offensiv-Künstler von Bayern München dabei glücklicherweise nichts eingebüsst.
Seit Monaten wird Robben mit Lob überhäuft – in seiner holländischen Heimat, in Deutschland und nun an der WM in Brasilien, wo er in der Vorrunde beim Stelldichein der internationalen Stars für viele der Beste war. Die Bodenhaftung hat der 78-fache Internationale gleichwohl nicht verloren. «Ich mag Worte wie ‚Superstar‘ und ‚Weltstar‘ nicht, die passen nicht zu mir. Ich bin ein Fussballer, der ganz gut mit dem Ball umgehen kann», sagte Robben jüngst gegenüber der holländischen Zeitung «Algemeen Dagblad».
Auffallend ist, dass Robben seit einigen Monaten vor allem in den wichtigen Partien ein ums andere Mal seine Topleistung abzurufen vermag. «Für diese Momente lebt man, für diese Momente spielt man Fussball», so der Bayern-Star. Die zweite Halbzeit gegen Spanien gehörte zum Besten, was man von ihm je gesehen hat – nicht nur seiner beiden Tore wegen. «Geweldig» (grossartig) waren in der Gruppenphase auch seine unzähligen Sprints. Im holländischen Konterspiel ist Robben das zentrale Element; meist ist er mit Ball schneller als die Gegenspieler ohne. Gegen Spanien soll er bei seinem Solo zum 5:1 mit 37 km/h über die gegnerische Platzhälfte gesprintet sein – Usain Bolts Topwert liegt bei ca. 44 km/h.
Es ist noch nicht lange her, da galt Robben als Egoist und Loser. Zwischen 2010 und 2012 wurde er gleich mehrmals als Hauptverantwortlicher für gravierende Niederlagen seiner Teams ausgemacht. Vor vier Jahren vergab er im WM-Final gegen Spanien alleinstehend vor Iker Casillas einen Matchball, im Mai 2012 verschoss er im Champions-League-Final gegen Chelsea ebenso einen Penalty wie einen Monat zuvor im vorentscheidenden Meisterschaftsduell gegen Dortmund.
Manch ein Berufskollege des Holländers hätte an diesen Tiefschlägen mehrere Jahre (oder gar ein Leben lang) zu knabbern gehabt. Robben bewies nach den diversen Rückschlägen und Negativschlagzeilen jedoch eine ausserordentliche mentale Stärke. Die bitteren Niederlagen und Pfiffe der eigenen Fans trieben ihn an – Resignation war nie eine Option. Stattdessen stieg er zu einem Teamleader auf, der sich mittlerweile nicht zu schade ist, auch Defensiv-Arbeit zu verrichten.
Der Wendepunkt in seiner Karriere ist der letztjährige Champions-League-Final im Wembley gegen Dortmund, in dem er kurz vor Schluss nach einigen vergebenen Chancen den Münchner Siegtreffer erzielte. Zentnerlasten fielen an jenem Mai-Abend nach Spielende vom Holländer ab. Robben gibt sich seither gelöst wie nie zuvor in seiner Karriere – auf und neben dem Platz. Seit seinem Wembley-Tor ist er stärker denn je; in der vergangenen Saison war er für Bayern in 45 Pflichtspielen an 38 Treffern als Torschütze oder Vorbereiter beteiligt.
An seine ausgezeichneten Leistungen in München schloss er an der WM in Brasilien nahtlos an. Den wichtigsten Titel auf Klub-Ebene hat er mit einem Jahr Verzögerung errungen, nun soll es der bedeutendste im Fussball überhaupt sein. Die Erinnerungen an seine vergebene Grosschance vor vier Jahren im Final in Johannesburg führen bei Robben zu keiner mentalen Blockade, vielmehr treiben sie ihn unentwegt an. Auch heute, im Achtelfinal-Duell gegen Mexiko.