Das UNO-Kinderhilfswerk UNICEF kritisiert, dass in vielen Industriestaaten die Ungleichheit zwischen Kindern gewachsen ist. Das hat stark negative Auswirkungen für benachteiligte Kinder. Die Schweiz schneidet in der weltweiten Studie allerdings gut ab.
Insgesamt stellt die UNO-Organisation nur wenige Fortschritte beim Schliessen der Kluft zwischen den untersten zehn Prozent der Kinder und denen aus der Mitte der Gesellschaft fest, wie aus einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht hervorgeht. Die Lücke beim verfügbaren Haushaltseinkommen von 2008 bis 2013 habe sich in mehr als der Hälfte der Industriestaaten noch weiter vergrössert.
Auch bei Bildung, Gesundheit und Lebenszufriedenheit sind die Unterschiede weiterhin deutlich.«Ungleichheiten überlappen und verstärken sich gegenseitig.» Und: «Soziale und wirtschaftliche Nachteile zu Beginn des Lebens erhöhen das Risiko niedrigen Einkommens, niedrigerer Gesundheitsstandards und geringerer Fähigkeiten im Erwachsenenleben.»
Methodisch dreht der Bericht die Diskussion um Ungleichheit im Gegensatz zu vielen anderen Studien um: Anstatt zu fragen, wie weit die obersten zehn Prozent dem Rest voraus sind, schaut sie für jedes Kriterium, wie weit die Kinder mit den jeweils schlechtesten Werten hinter der gesellschaftlichen Mitte zurückliegen.
Vor Nachbarländern
Die Schweiz belegt im Gesamtranking, das aus der Rangierung in den Sparten Einkommen, Gesundheit, Bildung und Lebenszufriedenheit besteht, den zweiten Rang – zusammen mit Finnland und Norwegen und unmittelbar vor Österreich. Den ersten Platz belegt Dänemark. Die Nachbarländer Deutschland (14), Frankreich (28) und Italien (32) liegen deutlich zurück.
Besonders gute Noten erhält die Schweiz in den Sparten Gesundheit, Einkommen und Lebenszufriedenheit. Das bedeutet, dass ärmere Kinder in der Schweiz verglichen mit einem Kinder in der Gesellschaftsmitte weniger stark benachteiligt sind als in anderen Ländern. Die Schweiz weist auch den tiefsten Prozentsatz an Kindern auf, die in den ärmsten zehn Prozent der Haushalte leben.
Beim Kriterium Bildung landet die Schweiz dagegen nur im Mittelfeld. Das heisst, dass benachteiligte Kinder bei der Bildung relativ weit hinter einem Kind in der Mitte der Gesellschaft zurückfallen. Allerdings verlassen im Gegensatz zu anderen Ländern sehr wenige Kindern in der Schweiz die Schule ohne ausreichende Kenntnisse.
Verschlechterung nach Finanzkrise
«Einige Länder haben es geschafft, in einigen Bereichen grosse Fortschritte zu erzielen», sagte der Sozialwissenschaftler Stefan Kühner von der Universität York, einer der Autoren des Berichts, der Nachrichtenagentur dpa. «Im Allgemeinen sind die Veränderungen aber ein bisschen enttäuschend.»
In 19 von 41 Ländern haben die Haushalte der ärmsten Kinder weniger als die Hälfte des Einkommens von denen in der Mitte der Einkommensverteilung. «Das ist nach der Finanzkrise in vielen Staaten schlechter geworden», sagte Kühner. Dies trifft vor allem in südeuropäischen Krisenstaaten wie Griechenland zu.
Der Bericht fordert Regierungen auf, mehr für das Wohlbefinden aller Kinder zu tun, und dazu unter anderem das Einkommen der ärmsten Kinder mit Sozialtransfers zu sichern.
Ausserdem sollten Bildungschancen für benachteiligte Kinder verbessert werden – dies müsse nicht zwangsläufig zu einem allgemein sinkenden Bildungsniveau führen, heisst es unter Verweis Erfahrungen in Dänemark, Estland und Polen. Dort sei es gelungen, die Kluft zu verringern und gleichzeitig das allgemeine Leistungsniveau anzuheben.