Arturo Vidal: Der Krieger, der nichts und niemanden fürchtet

Vor sechs Wochen wurde Arturo Vidal am Knie operiert. Vor der wichtigen Partie der chilenischen «Furia Roja» gegen Spaniens «Roja» hofft er auf eine Fortsetzung auf seiner rasanten Genesung. Klar ist: Seine Mannschaft wäre ohne ihren Krieger erheblich geschwächt.

Genesungswunder: Vidal wurde vor sechs Wochen erst am Knie operiert. (Bild: Keystone)

Vor sechs Wochen wurde Arturo Vidal am Knie operiert. Vor der wichtigen Partie der chilenischen «Furia Roja» gegen Spaniens «Roja» hofft er auf eine Fortsetzung auf seiner rasanten Genesung. Klar ist: Seine Mannschaft wäre ohne ihren Krieger erheblich geschwächt.

Sein Gesicht sprach Bände. Arturo Vidal war stocksauer und trat eine Trinkflasche in seinem ersten Frust um. Dabei richtete sich die Enttäuschung des 27 Jahre alten Chilenen keineswegs gegen seine Auswechslung nach einer Stunde. Der Mann hatte schlicht die Signale seines Körpers zu spüren bekommen.

Erst Mitte Mai am rechten Knie operiert, das sich kurz vor Beginn der Fussball-Weltmeisterschaft in Brasilien noch einmal entzündete, reichte es am Samstagabend im Auftaktspiel gegen Australien in Cuiaba nur zu einem Teilzeiteinsatz, bei dem die Welt den wahren Vidal nicht erkennen konnte. Da seine Mannschaft aber gegen die tapferen «Socceroos» das Handicap verkraften konnte, dass ihr bester Spieler noch um seine Fitness rang, reichte es auch so zu einem glanzlosen 3:1-Erfolg. «Ich bin in Ordnung», sagte Vidal danach, «aber man kann nicht sagen, dass ich zu hundert Prozent fit bin.»

Das aber sollte der frühere Leverkusener und heutige Mittelfeldstar des italienischen Meisters Juventus Turin an diesem Mittwoch im Maracana-Stadion von Rio de Janeiro möglichst sein. Schliesslich will Chile gegen den nach der 1:5-Pleite gegen die Niederlande angeknockten Weltmeister Spanien einen weiteren Wirkungstreffer landen und mit einem Sieg das Achtelfinale der WM erreichen.

Ganz oder gar nicht

Wenn die «Roja» der «Furia Roja» damit die Chance auf die Titelverteidigung endgültig vermasselt hätte, wäre es Arturo Vidal gerade recht. Nicht, weil er etwas gegen Spanien hätte, aber es gehört  zum Selbstverständnis dieses rastlosen Motorikers, dass er sich in jedem Spiel für den Sieg seiner Mannschaften verausgabt. Ob für «Juve» oder für Chile, seine Devise lautet ganz oder gar nicht.

Vor vier Jahren begegneten sich die Chilenen und Spanier auch bei der WM in Südafrika in derselben Gruppe. Damals gewann der spätere Weltmeister aus dem Tiki-Taka-Land 2:1, ehe danach der Gruppenzweite Chile im Achtelfinale mit einer 0:3-Niederlage an Brasilien scheiterte. Inzwischen aber hält sich der Dritte der südamerikanischen WM-Qualifikation für derart verbessert, dass er es mit jedem Gegner aufnehmen kann. Natürlich auch mit den Spaniern, von denen Vidal vermutet, «dass sie mit viel Wut auf den Platz kommen werden».

Dem möchte Jorge Sampaoli, der argentinische Trainer der Chilenen, mit einem Vidal vorneweg begegnen, der das aggressive Pressing der Südamerikaner anführt, der ein Meister im Umschaltspiel ist, der Torgelegenheiten wittert und nutzt und im nächsten Moment die Defensive der Chilenen zusammenhält. «Vidal ist der Messi der Mittelfeldspieler», hat ihn sein Nationaltrainer einmal gelobt, «er ist unheimlich flexibel, für den Gegner tödlich im Tackling und ein guter Ballverteiler.» Vorausgesetzt, er ist bei besten Kräften, die er für sein Spiel zwischen den Strafräumen braucht.

Wie Vidal zum Krieger wurde

Dass er sich als «Krieger» bezeichnet, der vor nichts und niemand Angst hat und dabei doch nie den strategischen Überblick in seiner Kampfzone verliert, hat der reich tätowierte Chilene mit dem soldatenhaft kurzen Haarschnitt einmal so erklärt: «Meine Mutter nenne ich Kriegerin, weil mein Vater uns verliess, als ich fünf war und sie in harten Verhältnissen alleine sechs Kinder grosszog – auf dem Rasen werde ich dann ebenfalls zum Krieger.»



Den «Krieger» auf den Arm tätowiert.

Den «Krieger» auf den Arm tätowiert. (Bild: Keystone)

Mit ihm Fussballschlachten zu gewinnen, darum reissen sich derzeit europäische Spitzenklubs wie Real Madrid und Manchester United. Doch fürs erste ist Vidal, der in der Bundesliga reifte und in Turin zu einem Profi der Extraklasse wurde, bis 2017 an Juventus gebunden. Und ausserdem interessiert ihn das berufsspezifische Kommen und Gehen eines Profis derzeit nicht die Bohne. Für ihn zählt nur, schnellstmöglich, also bis zum Anpfiff im Duell mit dem wankenden Champion, wieder in bester Verfassung sein.

«Das Wichtigste war, dass ich wieder gespielt habe und alles gut gelaufen ist», sagte er nach dem Auftakterfolg über Australien, ehe er einschränkend bemerkte: «Ich habe vier Jahre gearbeitet, um in Topform bei der WM zu sein. Dann hat mir die Verletzung die Stärke und den Rhythmus genommen.»

Geht die rasante Genesung weiter?

Da Fussball-«Krieger» aber unermüdliche Kämpfer sind und es sowieso an ein kleines Wunder grenzt, dass Vidal sechs Wochen nach seiner Operation inklusive Nebenwirkungen die Weltmeisterschaft bestreiten kann, ist dem Mann mit dem äusserste Entschlossenheit spiegelnden Gesicht ein weiterer rasanter Genesungsfortschritt zuzutrauen. Sein Trainer hat Vidals Sechzigminutenauftritt gegen die Australier wie eine Trainingseinheit beobachtet und danach gesagt: «Das alles dient der Vorbereitung für das, was noch kommt.»

Chile fühlt sich bereit, Vidal auch, dem Weltmeister die Stirn zu bieten und selbst die Muskeln spielen zu lassen. In Rio wird ein Showdown zweier Spitzenmannschaften erwartet, dessen Verlierer beim Blick auf den gegen Spanien galaktischen Gruppenersten Niederlande fürchten muss, schon bald die Heimreise antreten zu müssen.

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