Der Asiatische Laubholzbockkäfer hat sich dieses Jahr in der Schweiz mit einer Ausnahme eine Ruhepause gegönnt. Dass im September in Brünisried FR ein Exemplar der Käfer ausgeflogen ist, war für die Behörden von Bund, Kanton und Gemeinde eine Überraschung – eine böse.
«Wir hatten seit Mai auf Brünisried geblickt und gegen Ende Sommer zu hoffen begonnen, es sei ausgestanden», sagte Therese Plüss, Waldschutz-Expertin beim Bundesamt für Umwelt (BAFU) gegenüber der Nachrichtenagentur sda.
Dass in Brünisried kurz darauf zwei Bergahorne entdeckt wurden, die mit dem Schädling aus China befallen waren, war ein Rückschlag für die Behörden im Kampf gegen die Ausbreitung des ALB, wie der Käfer unter Fachleuten abgekürzt wird.
Der ALB befällt vor allem gesunde Laubbäume. Diese sterben binnen weniger Jahre. In Brünisried war im September 2011 erstmals in der Schweiz der gefrässige Käfer in einer Hecke nachgewiesen worden. Diese wurde umgehend gerodet; ihre Überreste verbrannt.
Die Behörden suchten darauf mit Hilfe von auf den Duft des Käfers trainierten Suchhunden und Baumkletterern die Umgebung ab. Wo die Hunde Hinweise gaben, rückten Bandsägen Bäumen und Sträuchern zu Leibe.
Da in diesem Sommer zunächst in Brünisried keine ALB auftauchten, hofften die Behörden, den Käfer erfolgreich vertrieben zu haben.
Eine Generation in zwei Jahren
Grund dafür war, dass ein Lebenszyklus des asiatischen Laubholzbocks in Europa normalerweise zwei Jahre dauert. Weil der ALB die meiste Zeit als Larve verborgen unter Rinde lebt, wird er zumeist erst beim Ausfliegen entdeckt. Die Käfer fliegen im Sommer und paaren sich.
Es war offen, ob sich der ALB auf einer Höhe von 800 Metern über Meer überhaupt einnistet. «Nun wissen wir es», sagte Plüss.
Längeres Leben im hiesigen Klima?
«Während des Winters wird die Larvenaktivität des Käfers gebremst», erklärte die Entomologin. Weil auf 800 Metern über Meer das Klima anders sei als in der Heimat des Käfers, sei es möglich dass die Larve eine länger Entwicklungszeit habe.
So sei zu erklären, dass der Brünisrieder Bock so spät im Sommer noch ausgeflogen sei. «Für Brünisried bedeutet dies, dass im kommenden Frühjahr noch ‚Brüder‘ und ‚Schwestern‘ der gefundenen Käfer und Larven ausfliegen könnten.»
Massnahmen ausgeweitet
In Brünisried hatten sich die Hoffnungen auch zerschlagen, weil die zwei befallenen Bergahorne von den Suchhunden bei früheren Suchaktionen noch nicht angezeigt worden waren.
Das erneute Auftauchen des Käfers bedeute, dass die vor zwei Jahren getroffenen Präventiv- und Überwachungsmassnahmen noch nicht ausgereicht hätten und nun ausgeweitet würden, sagte Plüss.
Die Freiburger Behörden haben bereits reagiert: Die beiden Bergahorne wurden gefällt. Weitere Bäume im Umkreis von rund 500 Metern werden im Laufe des Winters fallen.
Zudem schufen die Behörden eine «Zwei-Kilometer-Pufferzone». In den betroffenen sechs Dörfern stehen Laubhölzer damit unter verschärfter Beobachtung.
Vordergründige Ruhe in Winterthur
Solche Massnahmen und andere hatte der Bund verordnet, nachdem der Laubholzbock hierzulande aufgetaucht war. Das BAFU befürchtet grosse Schäden bei einem Befall.
Dies hatte im vergangenen Jahr bereits Winterthur zu spüren bekommen, wo der bislang grösste ALB-Befall festgestellt wurde. Bereits über 130 Bäume wurden gefällt.
Wegen des Zwei-Jahreszyklus steht Winterthur erst ab kommendem Frühjahr im Fokus. «In diesem Sommer war es ruhig», sagte Plüss. Im gegenteiligen Fall hätten die Alarmglocken geschrillt.
So oder so: Winterthur kann frühestens aufatmen, wenn vier Jahre lang – über zwei Käfergenerationen hinweg – kein Tier, dessen Eier oder Larven gefunden wurde. Bei jedem Fund beginnt die Frist erneut. Die Stadt kommt dies teuer zu stehen: Auf knapp eine Million Franken jährlich beziffert sie die Kosten für den Kampf gegen den Käfer.