Eine Rakete mit Giftgas soll in einer Stadt in der syrischen Provinz Aleppo eingeschlagen sein. Das berichteten syrische Staatsmedien und Regimegegner am Dienstag übereinstimmend. Die Kriegsparteien warfen sich gegenseitig vor, Chemiewaffen einzusetzen.
Die genaue Zahl der Opfer war unklar. Syrische Staatsmedien und die oppositionsnahe Beobachtungsstelle für Menschenrechte sprachen von bis zu 26 Toten, nach russischen Angaben starben 16 Menschen. Zudem soll es mehrere Dutzend Verletzte gegeben haben. Eine unabhängige Bestätigung für einen Chemiewaffen-Einsatz in der Stadt Chan al-Assal gab es nicht.
Ein Fotograf der Nachrichtenagentur Reuters berichtete, Opfer des Angriffs in Spitälern in Aleppo litten an Atembeschwerden: «Sie sagten dass die Menschen Erstickungsanfälle erlitten hätten, es habe stark nach Chlor gerochen.» Die Opfer seien auf der Strasse und in ihren Häusern gestorben.
Das syrische Staatsfernsehen zeigte Aufnahmen, auf denen Männer, Frauen und Kinder auf Bahren abtransportiert wurden. Sie hingen an Infusionen und an Sauerstoffschläuchen. Keiner hatte sichtbare Verletzungen.
Schuldzuweisungen
Der syrische Informationsminister Omran al-Soabi erklärte, die Aufständischen hätten vom Bezirk Nairab in Aleppo aus eine mit chemischen Kampfstoffen bestückte Rakete abgefeuert. Er sprach von einer gefährlichen Eskalation seitens der Aufständischen.
Die syrischen Streitkräfte würden niemals international verbotene Waffen einsetzen, selbst wenn sie über solche verfügten, wurde er im Staatsfernsehen zitiert. Das Aussenministerium in Moskau stützte die Vorwürfe. Russland sei ernsthaft besorgt über die Tatsache, dass Rebellen in den Besitz von Massenvernichtungswaffen gelangten.
Die Rebellen ihrerseits machten Regierungskräfte verantwortlich: «Wir glauben, dass sie eine Scud(-Rakete) mit chemischen Stoffen abgefeuert haben», sagte ein hochrangiger Aufständischer in Aleppo. «Die Rebellen stecken nicht hinter dem Angriff.»
Rote Linie
Stellt sich heraus, dass tatsächlich Giftgas in Syrien eingesetzt wurde, wäre eine baldige Intervention internationaler Truppen nicht ausgeschlossen. Eine Sprecherin des britischen Aussenministeriums erklärte, der «Einsatz oder die Verbreitung von Chemiewaffen würde eine entschlossene Reaktion der Staatengemeinschaft erfordern».
Grossbritannien und Frankreich machen sich für Waffenlieferungen an die Rebellen stark, stossen damit aber bei ihren EU-Partnern noch auf Widerstand. Die USA hatten Präsident Baschar al-Assad bereits mehrfach vor einem Einsatz von Chemiewaffen gewarnt – dadurch würde eine rote Linie überschritten.