Bern hat erstmals einen grünen Stadtpräsidenten. Alec von Graffenried gewann am Sonntag die Stichwahl mit 57,9 Prozent der Stimmen überraschend deutlich. Das Nachsehen hat Ursula Wyss (SP).
Von Graffenried holte 23’749 Stimmen, fast 6500 Stimmen mehr als Ursula Wyss (17’262). Der Grüne von Graffenried hatte bereits im ersten Wahlgang von Ende November am meisten Stimmen geholt, das absolute Mehr damals aber verfehlt. Bei der Stichwahl lag die Wahlbeteiligung bei hohen 49,8 Prozent.
Der Gewinner zeigte sich am Sonntag erfreut und erleichtert. Der grosse Zuspruch von Wählerinnen und Wählern sei eine Befriedigung und zeige, dass die Wählenden wüssten, wofür er stehe, nämlich für Zuverlässigkeit und Loyalität.
SP nach 24 Jahren abgestraft
Von Graffenried tritt am Montag die Nachfolge von Alexander Tschäppät (SP) an. Bitter ist das Resultat für die SP, die das Stadtpräsidium nach insgesamt 24 Jahren abgeben muss. Das Verdikt sei hart, räumte Co-Parteipräsident Stefan Jordi ein. Mit der Nichtwahl einer Frau zur Stadtpräsidentin habe Bern zudem eine «historische Chance verpasst».
Die gescheiterte Kandidatin Ursula Wyss zeigte sich als faire Verliererin, gratulierte dem Sieger und betonte, sie freue sich auf die Zusammenarbeit im neuen Gemeinderat. Sie werde weiterhin mit grossem Engagement die Direktion für Tiefbau, Verkehr und Stadtgrün führen.
Hoffnung auf Brückenbauer
Der neue Stadtpräsident Alec von Graffenried ist 54 Jahre alt und gehört der Grünen Freien Liste (GFL) an, einer lokalen Gruppierung innerhalb der Grünen Partei. Landesweit bekannt ist von Graffenried als langjähriger Nationalrat; dieses Amt legte er 2015 nieder.
Danach arbeitete der vierfache Familienvater für eine Baufirma, präsidierte Bern Tourismus und engagierte sich verstärkt in der Stadtpolitik.
Im vergangene November wurde von Graffenried in die rot-grün dominierte Berner Stadtregierung gewählt. Der Bernburger gilt als gemässigter Grüner und stellte sich im Wahlkampf als Brückenbauer zwischen den politischen Lagern dar. Er wurde deshalb in der Stichwahl auch von den bürgerlichen Parteien unterstützt.
SP verdrängt FDP
Das Rot-Grün-Mitte-Bündnis (RGM) stellt in der fünfköpfigen Stadtberner Regierung vier Sitze, dazu kommt ein Sitz für die CVP. Die grossen bürgerlichen Parteien FDP und SVP sind in der Exekutive nicht vertreten.
Nebst Stadtpräsident von Graffenried nimmt neu Michael Aebersold (SP) im Gemeinderat Einsitz. Er dürfte die Finanzdirektion übernehmen, die bislang vom abgewählten FDP-Mann Alexandre Schmidt geführt worden war. Offiziell erfolgt die Direktionszuteilung in den kommenden Tagen.