Seit Freitag hat auch das Tessin ein Babyfenster: Beim Spital «San Giovanni» in Bellinzona können verzweifelte Mütter künftig ihr Neugeborenes anonym in eine Klappe legen.
Bellinzona sei als Standort ausgewählt worden, weil das Spital «San Giovanni» führend in der Kindermedizin sei, teilte der Tessiner Spitalverband am Freitag mit. Zudem sei es dasjenige öffentliche Spital, in dem im Tessin am meisten Kinder geboren werden.
Hilfe für Mutter und Kind übernimmt Kosten
Die Kosten für das Babyfenster übernimmt die Schweizerische Hilfe für Mutter und Kind (SHMK), die gegen Abtreibung ist. Sie betreibt laut Communiqué bereits vier Babyfenster in der Schweiz – in Einsiedeln SZ, Davos GR, Olten SO und Bern. Eine weitere Babyklappe gibt es seit Kurzem in Zollikon ZH.
Eine Babyklappe ermöglicht es einer Mutter, die sich in einer ausweglosen Situation wähnt, ihr Baby anonym in Obhut von Fachleuten zu geben. Das Neugeborene kann von aussen durch ein Fenster in der Klinik in eine geheizte Wiege gelegt werden.
Die Mutter hat danach einige Minuten Zeit, sich zu entfernen, bevor das Spitalpersonal automatisch alarmiert wird, das sich anschliessend um das Neugeborene kümmert. Später wird das Kind zur Adoption frei gegeben. Bis zu diesem Zeitpunkt haben die Eltern das Recht, das Baby wieder zurückzuholen.
Selten, aber aufwühlend
In der Schweiz komme es selten vor, dass Neugeborene an öffentlichen Plätzen ausgesetzt würden, doch wühle jeder einzelne Fall die Öffentlichkeit auf, schreibt der Spitalverband dazu.
Im Tessin hatte erst vergangenes Jahr ein Fall für Aufregung gesorgt: Eine Mutter hatte ihr Neugeborenes bei Kälte im Auto zurückgelassen, weil sie es los werden wollte, wie die Staatsanwaltschaft damals mitteilte. Das Baby konnte unterkühlt gerettet werden.
Im Babyfenster in Einsiedeln, das 2001 als erstes in der Schweiz in Betrieb genommen wurde, sind bisher neun Kinder anonym abgegeben worden. Auch in das erst letzten Herbst eröffnete Babyfenster in Bern wurde bereits ein Baby gelegt.
Babyfenster sind jedoch nicht unumstritten. Im Kanton Thurgau beispielsweise lehnte der Grosse Rat im Dezember eine entsprechende Motion deutlich ab. Die Gegner argumentierten unter anderem, ein Babyfenster setze falsche Signale: Eine Geburt ohne fachliche Hilfe gefährde das Leben von Mutter und Kind.