Die eidgenössischen Räte lehnen die Initiative zur Abschaffung der Pauschalbesteuerung ab. Auch der Nationalrat hat sich gegen das Volksbegehren ausgesprochen. Standortattraktivität und Steuereinnahmen stachen in der Debatte das Gebot der Steuergerechtigkeit aus.
Zwischen diesen Polen entspann sich im Rat eine hoch emotionale Diskussion, in der jede Seite der jeweils anderen ideologische Verblendung unterstellte. Bürgerliche Votanten warfen der Linken vor, politisches Kapital aus dem Neid der Leute zu schlagen und einige ländliche Kantone von einer bedeutenden Einnahmequelle abschneiden zu wollen.
Linke Rednerinnen und Redner hielten den Initiativ-Gegnern vor, für ein paar Millionen Steuerfranken quasi-feudale Privilegien an den ausländischen Geldadel zu verteilen und Verfassungsgrundsätze über Bord zu werfen. Dass die Besteuerung nach dem Aufwand nicht mit dem Grundsatz der horizontalen Steuergerechtigkeit zu vereinbaren ist, blieb in der Debatte unbestritten.
Gewollte Ungleichbehandlung
Das Verfassungsgebot verlangt, dass Personen in vergleichbaren Situationen vergleichbar zu besteuern sind. Reiche Ausländerinnen und Ausländer, die auf der Basis ihrer Lebenshaltungskosten statt nach Einkommen und Vermögen besteuert werden, zahlen in der Regel aber weniger als vermögende Schweizerinnen und Schweizer in einer vergleichbaren finanziellen Situation.
Für SVP, FDP, CVP, BDP und GLP ist diese Ungleichbehandlung angesichts der Steuereinnahmen von knapp 700 Millionen Franken bei Bund, Kantonen und Gemeinden zu verschmerzen. Hinzu kommen überdurchschnittlich hohe Konsumausgaben, Investitionen sowie ein bedeutendes Mäzenatentum, von dem zahlreiche Schweizer Kultur- und Sportveranstaltungen mit internationaler Ausstrahlung profitieren.
Vor allem West- und Südschweiz betroffen
Gegen 30’000 Arbeitsplätze, die direkt von pauschalbesteuerten Personen abhingen, würden ohne Not aufs Spiel gesetzt, warnten die Initiativ-Gegner. Betroffen wären insbesondere die Kantone Genf, Waadt, Wallis, Tessin und Bern, wo die meisten der gut 5000 Pauschalbesteuerten leben. Die Waadt generiert mit diesen pro Jahr rund 200 Millionen Franken an Steuereinnahmen, Genf 150 Millionen.
«Ich bezweifle, dass sich die Initianten Sparprogramme in meinem Kanton wünschen», sagte der Waadtländer SVP-Vertreter Guy Parmelin. Im Kanton Bern profitiert vor allem die Region Gstaad. Diese leide bereits unter den Folgen der Zweitwohnungsinitiative, klagte Erich von Siebenthal (SVP/BE). Nun dürften ihr nicht auch noch die Einnahmen aus der Pauschalbesteuerung weggenommen werden.
Alternative Veranlagungsmethode
Laut Isabelle Moret (FDP/VD) handelt es sich bei der Besteuerung nach dem Aufwand ohnehin nicht um ein Steuerprivileg. Vielmehr sei es eine alternative Methode, die Veranlagung vorzunehmen, wenn Einkünfte und Vermögen im Ausland nicht genau ermittelt werden könnten.
Wenn es darum und nicht um Steuererleichterungen ginge, wäre wohl auch keine Abwanderung zu befürchten, hielt ihr Beat Jans (SP/BS) entgegen. Den Bürgerlichen warf Jans Unredlichkeit vor: Diese verlangten stets, dass sich Ausländerinnen und Ausländer an die Regeln zu halten hätten – für Reiche gelte dies offenbar nicht. Tatsächlich sprach sich der Genfer MCG-Vertreter Roger Golay gegen «exzessive Gleichmacherei» aus, welche die Lebensqualität einiger Mitbürger verschlechtere.
Für die Befürworter der Initiative geht es jedoch nicht um Gleichheit um der Gleichheit willen, sondern um Gerechtigkeit: Leute mit bescheidenem Einkommen, der Schweizer Mittelstand, «Leute wie du und ich» zahlten ihre Steuern auch auf Franken und Rappen, sagte Bea Heim (SP/SO).
Steuerprivilegien und andere Vorzüge
Die Befürworter glauben auch nicht, dass eine Annahme der Initiative zu einer grossen Abwanderungswelle führen würde: «Es sind nicht die Steuerprivilegien, die die Schweiz attraktiv machen, sondern die Stabilität, die Lebensqualität und die öffentliche Infrastruktur», sagte Mathias Reynard (SP/VS).
SP und Grüne sind überzeugt, dass die Bevölkerung die Privilegien für Reiche nicht mehr lange akzeptieren wird. Tatsächlich haben fünf Kantone in den letzten Jahren die Pauschalbesteuerung abgeschafft, vier davon in einer Volksabstimmung.
Fünf weitere haben das Instrument zwar beibehalten, sich aber für eine Verschärfung der Regeln ausgesprochen. Auch die eidgenössischen Räte haben 2012 eine leichte Erhöhung der Bemessungsgrundlage beschlossen.
Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf erinnerte daran, dass nur Kantone die Pauschalbesteuerung abgeschafft hätten, in welchen diese keine grosse Rolle gespielt habe. «Wir sind gut damit gefahren, den Kantonen den Entscheid zu überlassen», sagte sie.
Eine konkrete Prognose, welche Auswirkungen eine Annahme der Initiative hätte, wollte die Finanzministerin nicht machen. Dafür fehlten schlicht die Erfahrungswerte.
119 zu 59 Stimmen
Mit 119 zu 59 Stimmen bei 2 Enthaltungen beschloss der Nationalrat schliesslich, die Initiative «Schluss mit Steuerprivilegien für Millionäre (Abschaffung der Pauschalbesteuerung)» zur Ablehnung zu empfehlen. Der Ständerat hatte sich bereits in der letzten Wintersession mit deutlicher Mehrheit dagegen ausgesprochen.
Die Initiative war 2011 von der Alternativen Linken (AL) lanciert worden. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund, die Gewerkschaft Unia, die SP und die JUSO unterstützen das Anliegen.