Ajax Amsterdam steht in Lyon dicht vor dem 10. Europacup-Final-Einzug – dem ersten seit der Niederlage im Champions-League-Endspiel vor 21 Jahren.
Alexandre Lacazette verbinden sie in Lyon mit den letzten Funken Hoffnung. Der 25-jährige Stürmer soll im eigenen Stadion gegen Ajax die Wende inszenieren. In der Ligue 1 ist einzig der Pariser Topskorer Edinson Cavani erfolgreicher als der 31-fache Saisontorschütze. Womöglich wird er auf internationaler Ebene ein letztes Mal als Lyon-Professional im eigenen Stadion einlaufen; Atletico Madrid soll sich erneut intensiv um den früheren U19-Europameister bemühen.
Im komplett missratenen Hinspiel (1:4) war er wegen Rückenbeschwerden nur ein Joker ohne Einfluss. Vor eigenem Publikum will Lacazette im Finish seines siebten OL-Jahres das sportlich wertvollste Ergebnis erzwingen und die Bilanz einer Ligue-1-Saison aufwerten, die gemessen an den finanziellen Ressourcen als Enttäuschung in die Klubgeschichte eingehen wird.
Ein Umschwung zum Positiven zeichnet sich allerdings nicht ab. Ajax hat bisher eine wunderbare Kampagne hinter sich. Die derzeit europaweit spektakulärste «U23»-Auswahl ist auswärts zwar seit fünf Partien sieglos, aber die im berauschenden Stil geschaffene Dreitore-Reserve wird den formstarken Amsterdamern unter normalen Umständen nicht mehr zu nehmen sein.
Ajax ist die derzeit europaweit wohl spektakulärste «U23»-Auswahl.
Der ehemals renommierteste Verein Europas ist in beeindruckender Manier aus der internationalen Versenkung aufgetaucht. 21 Jahre nach dem Penalty-Drama im Champions-League-Endspiel gegen Juventus Turin bietet sich Ajax die Chance zum grossen Comeback – notabene ein Jahr, nachdem die Talente mit einem blamablen Remis gegen den Absteiger De Graafschap den nationalen Titelgewinn fahrlässig verspielt hatten.
Die lange europäische Dürreperiode der nach wie vor weltweit namhaften Fussball-Organisation ist durchaus erklärbar. Im Vergleich zu den Top-5-Ligen fliesst das TV-Geld auf dem niederländischen Markt verhältnismässig spärlich. Recherchen der «Welt» zufolge, standen den deutschen Zweitbundesligisten vor Jahresfrist (135 Millionen Euro) fast doppelt so viele Mittel zur Verfügung.
Spieler mit erheblichem Potenzial – das letzte Schwergewicht war Luis Suarez (2011 zu Liverpool) – sind im Normalfall nicht lange zu halten; entsprechend stehen die aktuellen jugendlichen Ajax-Gipfelstürmer im Fokus der wirtschaftskräftigen Konkurrenz aus Deutschland und England.
Manchesters Chance
In einem anderen Segment bewegt sich der mögliche Finalgegner von Ajax: Manchester United prägte bis zum Rückzug von Sir Alex Ferguson die Champions League und war lange die statistische Nummer 1 des wichtigsten Klub-Wettbewerbs. Nach teilweise konfusen Abschnitten unter David Moyes und Louis van Gaal hat José Mourinho das teure Ensemble stabilisiert.
Die Zuversicht ist beträchtlich, via Europa- League-Final wieder auf die lukrativste Bühne zurückkehren zu können. Verwalten die in der Europacup-Kampagne im Old Trafford seit letztem Herbst verlustpunktlosen Engländer den 1:0-Vorteil gegen Celta Vigo, kann die United am 14. Mai in Stockholm eine angemessenere Zukunft einleiten.
Der Herausforderer ist ausserhalb Spaniens weitgehend unbekannt; in den letzten elf Jahren verpasste er das internationale Geschäft neunmal. An guten Tagen hat Celta Vigo aber schon beide La-Liga-Giganten aus dem Gleichgewicht gebracht. Barcelona unterlag dem krassen Aussenseiter vor ein paar Monaten 3:4, Real Madrid liess sich im Cup demütigen.