Die Ausgangslage: Gewinnen – oder gewinnen
Dreieinhalb Monate sind vergangen, seit der FCB die Saison und eine neue Ära mit einer Niederlage in Bern begonnen hat. Inzwischen darf man, ohne Gefahr zu laufen, als Spinner abgetan zu werden, behaupten, dass die Young Boys auf gutem Weg sind, die Meisterserie des FC Basel zu durchbrechen.
Vor allem dann, wenn es den Bernern gelingt, das Gipfeltreffen in Basel am Sonntag (16 Uhr, SRF2 live) unbeschadet zu überstehen. Für die Berner spricht nicht nur ihre neue Stabilität, ihr Selbstbewusstsein (Stürmer Christian Fassnacht: «Wir können mit breiter Brust nach Basel fahren») und ihr erfrischender Offensivfussball. Sie blicken auch auf drei Siege und ein Unentschieden gegen den FCB zurück. Aus Basler Sicht eine schwarze Serie.
Die Young Boys dürften schon ein Unentschieden im Joggeli als fette Beute betrachten.
Gewinnt also Bern erneut, sind es zehn Punkte Vorsprung, was nach 14 von 36 Runden zwar noch nichts entscheidet und angesichts von 13 Längen, die der FCB 2009/10 wettmachte, geradezu lächerlich wenig wirkt. Aber acht Jahre später machen die Young Boys einen gefestigteren Eindruck, so dass sie schon ein Unentschieden im Joggeli (Vorverkauf: 30’200) als fette Beute betrachten dürften. Dann bliebe es bei sieben Punkten Abstand zum Serienmeister, für den es nur zwei Möglichkeiten gibt, um Tabellenbild und damit Stimmung rund um den Club im Lot zu halten: Gewinnen – oder gewinnen.
FCB-Trainer Raphael Wicky hat am Freitag – die herbe Niederlage gegen den ZSKA Mskau in der Champions League einigermassen aus den Kleidern geklopft – daran erinnert, dass Basel die Situation des Jägers seit «sechs, sieben Jahren» gar nicht mehr kennt. Und eingeräumt: «Es wäre wohl allen lieber umgekehrt.»
Allerdings hat Sportchef Marco Streller da noch einen anderen Blick auf die Basler Achterbahnfahrt, den er im Nachgang des Moskau-Spiels und vor dem nationalen Spitzenkampf im Interview mit der TagesWoche darlegte:
Die personelle Situation: Ohne Marek Suchy
Verletzt beim FC Basel:
- Ricky van Wolfswinkel (Mittelfussbruch)
- Germano Vailati (Schulteroperation)
Gesperrt beim FC Basel:
- Marek Suchy (vierte gelbe Karte)
Bei der nächsten Verwarnung gesperrt:
- Eder Balanta (3)
Es gibt böse Zungen, die bedauern nicht, dass Marek Suchy den Spitzenkampf gegen die Young Boys gesperrt verpasst. Das ist natürlich Unfug, denn – die zweite Halbzeit gegen Moskau hin oder her — den Basler Dreierblock in der Abwehr hätte man gerne gegen den Tabellenführer verteidigen sehen.
Akanji/Balanta wäre in einer Viererkette eine Premiere
So aber muss sich der FCB-Trainer entscheiden, ob er am Grundgerüst festhält und Taulant Xhaka zurückzieht. Oder ob er auf eine Viererkette umstellt. «Die Mannschaft fühlt sich in beiden Systemen wohl», sagt Wicky. Spielt er mit Manuel Akanji und Eder Balanta zentral in einer Viererkette, wäre das eine erstaunliche Premiere: Diese Kombination gab es nämlich noch nie.
Auf der Seite scheint eine Rochade – Blas Riveros für Raoul Petretta – angesicht des Programms, das Petretta absolviert hat, nicht ausgeschlossen. Vorne ist die Frage, ob es gegen YB mehr Albian Ajeti oder mehr Dimitri Oberlin braucht. Der Trainer sagt dazu: «Es braucht von allem etwas.»
Eine mögliche FCB-Aufstellung (4-2-3-1):
Vaclik – Lang, Akanji, Balanta, Riveros (Petretta) – Xhaka, Zuffi – Oberlin, Elyounoussi, Steffen – Ajeti.
Trainermonolog: «Wir wollen, dass der Abstand nur noch vier Punkte beträgt»
Raphael Wicky:
«Die Punktesituation ist allen bewusst. Wir wissen aber auch, dass wir die Fähigkeiten besitzen, hier daheim zu gewinnen. Mit dieser Mentalität werden wir ins Spiel gehen und wollen, dass am Sonntagabend der Abstand nur noch vier Punkte beträgt. Im Wissen, dass die Young Boys genau das Gegenteil wollen.
Ich glaube nicht, dass YB die Niederlage am Donnerstag gegen Kiew aus der Bahn wirft. Und 48 Stunden mehr Pause für uns sind in dieser Saisonphase, wo noch keine 40 Partien gespielt sind, nicht das Thema.
Wir haben versucht, uns nach der Enttäuschung vom Dienstag vor allem mental zu erholen. Deshalb hat die Mannschaft am Donnerstag frei bekommen, um den Kopf zu lüften.
Die Young Boys sind eine Mannschaft, die sich nicht erst seit dieser Saison durch ihre Kompaktheit und das schnelle Umschalten auszeichnet. Entscheidend wird sein, wir wir bei Ballverlust und in der Umschaltphase stehen.»
Der Nebenschauplatz: Aufgebot für Raoul Petretta
Im Aufgebot der italienischen U20-Nationalmannschaft taucht Raoul Petretta doch nicht wie angekündigt auf. Es kommt für ihn noch besser: Der 20-jährige Aussenverteidiger, der sich beim FC Basel ins Schaufenster gespielt hat, wurde gleich für die U21 des vierfachen Weltmeisters berufen. Am Montag reist er nach Rom, wo Trainer Luigi Di Biagio das Team auf die Partie gegen Russland (Dienstag, 14. November in Frosinone) vorbereitet.
Der im badischen Rheinfelden geborene Petretta, der seit seinem sechsten Lebensjahr für den FC Basel spielt, freut sich riesig über die erste Einladung überhaupt zu einer Landesauswahl: «Das ist unbeschreiblich.» Und mindestens genauso freuen sich seine Eltern, eine Sizilianerin und ein Neapolitaner: «Sie sind sehr stolz.»